Rz. 7

Wichtigste Haftungsnormen im Binnenschifffahrtsbereich sind einerseits § 823 Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB in Verbindung mit Vorschriften der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung (RhSchPV) oder anderen Schifffahrtsstraßenordnungen wie der BinSchStrO sowie sonstigen Schutzgesetzen (vgl. dazu § 2 Rdn 510 ff.), andererseits §§ 3, 4, 92 ff. BinSchG. Die Vorschrift des § 1.17 Nr. 1 RhSchPV, wonach der Schiffsführer eines festgefahrenen (oder gesunkenen) Fahrzeugs sobald wie möglich für die Benachrichtigung der nächsten zuständigen Behörde sorgen muss, ist etwa Schutzvorschrift im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB;[11] weitere Schutzgesetze sind beispielsweise:

§ 1.04 RhSchPV (Allgemeine Sorgfaltspflicht)[12] sowie
§ 6.03 Nr. 3 RhSchPV (Allgemeine Grundsätze beim Begegnen und Überholen)[13] und
§ 6.28 Nr. 2 S. 1 BinSchStrO (Durchfahren von Schleusen).[14]

Zu den sich aus dem Schutzzweck der Norm ergebenden Grenzen einer Haftung vgl. auch unten Rdn 51.[15]

 

Rz. 8

Die Schifffahrtsstraßenordnungen enthalten Fahrregeln, Vorschriften über Schallzeichen von Fahrzeugen, Sprechfunk und Radar sowie zahlreiche andere Bestimmungen, die zu einem möglichst sicheren Schiffsverkehr auf den Binnenwasserstraßen führen sollen. Die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) enthält die schifffahrtspolizeilichen Bestimmungen für fast alle Binnenschifffahrtsstraßen des Bundesgebietes mit Ausnahme des Rheins, der Donau, der Mosel und einiger kleinerer Kanäle im nordwestdeutschen Küstengebiet. Die BinSchStrO, RhSchPV und Moselschifffahrtspolizeiverordnung (MoselSchPV) stimmen in ihrem Allgemeinen Teil sowohl in der Paragraphenfolge als auch im Wortlaut weitgehend überein. Daher können Rechtsprechung und Kommentierung zur RhSchPV auch für die Auslegung der Vorschriften der anderen Straßenordnungen herangezogen werden.

 

Rz. 9

Um den besonderen Gefahren der Schifffahrt zu begegnen, fordert § 1.04 BinSchStrO eine über die allgemeine Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinausgehende gesteigerte nautische Sorgfalt. Dem Schiffsführer wird auferlegt, alle Vorsichtsmaßregeln zu treffen, die die allgemeine Sorgfaltspflicht und die Übung der Schifffahrt gebieten, um die Gefährdung von Menschenleben, aber auch Sachschäden und die Behinderungen der Schifffahrt zu vermeiden. Hieraus folgt, dass notfalls auf die Ausübung von Rechten verzichtet werden muss, wenn deren Durchsetzung mit Sicherheit andere in Gefahr bringen würde.[16][17]

Die Grundsätze über den Anscheinsbeweis gelten auch für ein gemäß § 254 BGB oder § 92c BinSchG festzustellende Mitverschulden.[18]

 

Rz. 10

Zur Unfallhaftpflicht im Binnenschifffahrtsbereich führen häufig Verstöße gegen spezifische Regelungen und Grundsätze, z.B. über

 

Rz. 11

das Begegnen.[19] Begegnen sich Berg- und Talfahrt, so müssen – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – die Bergfahrer den Talfahrern den Weg weisen und die Talfahrer die Weisung befolgen, § 6.04 BinSchStrO. Diese Regelung bezweckt, Klarheit für die Begegnungskurse zwischen Berg- und Talfahrt zu schaffen und damit die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen. Dieser Zweck legt es nahe, dass die Talfahrer auch eine nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung der Bergfahrer befolgen müssen.[20] Sowohl das Gebot, Kursweisungen des Bergfahrers zu befolgen, als auch das Kursänderungsverbot bei unmittelbar bevorstehenden Begegnungen zählen zu den Grundregeln des Binnenschifffahrtsverkehrsrechts.[21] Zur eingeschränkten Bedeutung schifffahrtsüblicher Kurse.[22]
das Überholen.[23]
das Wenden zu Berg (Aufdrehen) und das Wenden zu Tal. Die Einleitung eines Wendemanövers eines talfahrenden Schiffes im Abstand von einem Kilometer zum nächsten Bergfahrer ist zulässig und erfordert nicht generell eine Absprache des Manövers oder das Abwarten einer akustischen Bestätigung der Ankündigung (§ 6.13 Nr. 1 und Nr. 2 RhSchPV). Nach rechtzeitiger Ankündigung und zulässiger Einleitung des Manövers müssen andere Fahrzeuge nötigenfalls ihre Geschwindigkeit und ihren Kurs anpassen (§ 6.13 Nr. 3 RhSchPV).[24]
die Ein- oder Ausfahrt aus Häfen.[25]
das Ablegen.[26] Nach Beendigung von Lade- und Löscharbeiten muss der Schiffsführer mit dem Losmachen des Schiffs grundsätzlich so lange warten, bis die Hafenarbeiter sicher das Land erreicht haben. Macht der Schiffsführer das Schiff los, während ein Hafenarbeiter das Schiff über eine an der Kaimauer hängende Leiter verlassen will, und stürzt der Arbeiter infolge der durch das Ablegemanöver verursachten Schiffsbewegung von der Leiter, so haftet der Schiffsführer für die eingetretenen Verletzungen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Den Hafenarbeiter trifft ein Mitverschulden, wenn er sich beim Verlassen des Schiffs über eine Leiter nach Beendigung des Lade- und Löschvorgangs nicht darüber vergewissert, dass dies für ihn im Hinblick auf möglicherweise bereits begonnene oder bevorstehende Manöver gefahrlos möglich ist.[27]
das Verholen und die Pflicht zur Rücksichtnahme anderer.[28]
das Überqueren eines Stromes.
die Ausf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge