Rz. 55

Es entspricht Schifffahrtsbrauch, nach einem Unfall die Schadensfolgen durch Experten feststellen zu lassen. Schifffahrtsbräuche spielen im Binnenschifffahrtsrecht eine bedeutende Rolle. Der Gutachterausschuss der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort erstattet Gutachten zur Feststellung von Handelsbräuchen in der Binnenschifffahrt, die in einer Sammlung veröffentlicht werden. Das Schifffahrtsobergericht Karlsruhe hat beispielsweise nach Einholung eines derartigen Gutachtens der Schifferbörse entschieden, dass durch eine kontradiktorische Schadenstaxe die zur Wiederherstellung des Schiffes – auch eines nicht gewerblich genutzten Schiffes – erforderlichen Kosten mit für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindender Wirkung festgelegt werden.[181] Gleiches gilt für Reparaturdauern.[182] Kontradiktorische Schadenstaxen treffen auch – positiv wie negativ – verbindliche Aussagen über einen eventuellen merkantilen und/oder technischen Minderwert eines beschädigten Sportbootes. Die Bindungswirkung einer kontradiktorischen Schadenstaxe findet in § 242 BGB ihre Grenzen. Als Schiedsgutachten im Sinne der §§ 317319 BGB ist eine kontradiktorische Schadenstaxe dann nicht bindend, wenn siegroße Unrichtigkeiten enthält und nicht der Billigkeit entspricht.[183] Durch die Schadenstaxe wird der Einwand des Schädigers nicht ausgeschlossen, es sei überhaupt kein Schaden entstanden oder der Schaden sei aus Rechtsgründen anders zu ermitteln.[184] Nach einer Entscheidung des SG Duisburg-Ruhrort[185] kann eine kontradiktorische Schadenstaxe auch in zwei einzelnen Gutachten beider Seiten zustande kommen, wenn diese eine rechtliche Einheit bilden, was dann angenommen wurde, wenn hinsichtlich der Schadenshöhe auf die Reparaturkosten des anderen Gutachtens Bezug genommen wurde.

 

Rz. 56

Kosten einer kontradiktorischen Schadenstaxe sind ebenso wie solche eines Verklarungsverfahrens (vgl. dazu § 30) regelmäßig im Kostenfestsetzungsverfahren eines späteren Rechtsstreites als Kosten der Rechtsverfolgung abzurechnen.[186]

[181] SOG Karlsruhe, Urt. v. 6.7.1993 – U 8/92 BSch, NZV 1994, 111.
[182] SG Duisburg-Ruhrort, Urt. v. 4.4.2018 – 5 C 11/16 BSch, ZfB 2018 (6), 72.
[183] OLG Köln, ZfB 1957, 239. Vgl. auch SOG Karlsruhe, Urt. v. 6.7.1993 – U 8/92 BSch, NZV 1994, 111.
[184] BGH, Urt. v. 21.1.1965 – II ZR 49/63, VersR 1965, 351.
[185] SG Duisburg-Ruhrort, Urt. v. 2.4.2012 – 5 C 4/12 BSch, ZfB 2012, SaS. 2194.
[186] Vgl. im Übrigen zur kontradiktorischen Schadenstaxe und ihrer praktischen Bedeutung auch von Waldstein/Holland, § 92b BinSchG Rn 21 ff.; Wassermeyer, 359; Bemm/von Waldstein, Einf. Rn 36 ff.; RSOG Karlsruhe, Urt. v. 21.10.2005 – 22 U 8/05 RhSch, VersR 2006, 1239; Fischer, Zur Entwicklung der Rechtsprechung in der Binnenschifffahrt, VersR 2010, 436 ff. Fn 28.

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