Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 34
Die Verfahrensstandschaft endet auch schon vor Rechtskraft der Scheidung, sobald das minderjährige Kind in die Obhut des anderen Elternteils kommt oder wenn dem auf Kindesunterhalt in Anspruch genommenen Elternteil die alleinige Personensorge (nach vorheriger alleiniger Personensorge des anderen Elternteils oder nach vorheriger gemeinsamer Sorge) übertragen wird.
Rz. 35
In beiden Fällen wird das zuvor vom anderen Elternteil erhobene Verfahren auf Kindesunterhalt unzulässig, und zwar insgesamt, nicht nur für den Unterhaltszeitraum ab Sorgerechtsentscheidung oder ab Übergang des Obhutsverhältnisses auf den anderen Elternteil.
Rz. 36
Aufwendungen für das Kind können aber nach Antragsänderung im gleichen Verfahren im Rahmen des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegen den anderen Elternteil weiterverfolgt werden.
Rz. 37
Dies betrifft freilich nur den rückständigen Unterhalt. Hinsichtlich des laufenden Unterhalts ist der Antrag zurückzunehmen bzw. für erledigt zu erklären. Letzteres empfiehlt sich aus Kostengründen und ist auch korrekt, soweit man unterstellt, dass das bisherige Verfahren zulässig und begründet war. Das Verfahren wird nämlich erst infolge des Obhutswechsels (= erledigendes Ereignis) unzulässig. Das OLG Hamburg stellt dies wie folgt dar:
Zitat
"Mit dem Obhutswechsel der gemeinsamen Tochter und bisherigen Antragstellerin ist die Vertretungsbefugnis der jetzigen Antragstellerin aus § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, von der im Hinblick auf das eindeutige Übergewicht der tatsächlichen Betreuung durch die Mutter trotz des im Verlauf des Verfahrens vereinbarten erweiterten Umgangsrechts des Vaters weiterhin auszugehen gewesen ist (…), entfallen. Dadurch ist der Antrag rückwirkend, also auch hinsichtlich des aufgelaufenen Unterhalts, unzulässig geworden und müsste abgewiesen werden, sofern er nicht, wie im vorliegenden Fall geschehen, für erledigt erklärt wird (…)."
Rz. 38
Dies gilt entsprechend auch für Unterhaltsverfahren des Kindes im eigenen Namen; die Vertretungsmacht des bislang vertretenden Elternteils zur Abgabe der Erledigungserklärung wird aus einer Analogie zu §§ 168, 672 S. 2 BGB hergeleitet. Um den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen zu können, ist – da das Kind bislang in eigenem Namen das Verfahren führt – zuvor noch eine Beteiligtenwechselerklärung erforderlich; die Befugnis dazu, kann ebenfalls aus einer Analogie zu §§ 168, 672 S. 2 BGB hergeleitet werden. Die Voraussetzung der für den Beteiligtenwechsel notwendigen Sachdienlichkeit ergibt sich daraus, dass derselbe sachliche Streitstoff innerhalb eines Verfahrens erledigt werden kann. Insoweit ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit maßgebend.