Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
1. Unterhaltspflicht des ausgleichspflichtigen Elternteils
Rz. 14
Der Anspruchsteller muss im Innenverhältnis gegenüber dem Kind eine Unterhaltsverpflichtung erfüllt haben, die dem Anspruchsgegner oblag. Dies setzt voraus, dass der Anspruchsgegner dem betreffenden Kind gegenüber unterhaltspflichtig nach §§ 1601 ff. BGB, d.h. insbesondere auch leistungsfähig war. Der Ausgleichsanspruch scheitert auch dann, wenn der Anspruchsteller den Kindesunterhalt aufgrund einer Freistellungsvereinbarung mit dem Anspruchsgegner zu erbringen hatte.
2. Verzug nach § 1613 BGB
Rz. 15
Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch ist wirtschaftlich betrachtet die Geltendmachung von Unterhaltsrückständen. Voraussetzungen für die rückwirkende Erhebung des Anspruchs ist daher, dass nach § 1613 BGB der Anspruchsgegner betreffend den Unterhalt in Verzug gesetzt, von ihm Auskunft über sein Einkommen zwecks Unterhaltsberechnung gefordert oder ein Unterhaltsantrag rechtshängig wurde.
Das OLG Brandenburg fasst dies wie folgt zusammen:
Zitat
"Zwar ist die rückwirkende Geltendmachung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 1613 Abs. 1 BGB den in dieser Vorschrift aufgerichteten Schranken unterworfen. Ein solcher Anspruch kann aber auch schon von dem Zeitpunkt an verlangt werden, zu dem der Anspruchsteller als gesetzlicher Vertreter des Kindes gegen den anderen Klage auf Kindesunterhalt erhoben hat."
Rz. 16
Die Nachforderung für die Vergangenheit setzt also voraus, dass auch der Unterhaltsanspruch rückwirkend geltend gemacht werden konnte. Der Anwendung des § 1613 BGB in diesem Zusammenhang ist zuzustimmen, da dies der Schuldnerschutz gebietet. Der Ausgleichspflichtige ist vor Forderungen größeren Umfangs zu schützen, auf welche er sich nicht einrichten konnte. Auch der Gedanke der Verwirkung ist zu berücksichtigen, d.h. der ausgleichsberechtigte Elternteil ist grundsätzlich gehalten, seine Ausgleichsforderung – auch nach einer etwaigen Titulierung – zeitnah geltend zu machen, das heißt auch zu vollstrecken. Nach mehr als einem Jahr ist von einer Verwirkung auszugehen.
Rz. 17
Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht daher nicht, wenn der Vater nach Umzug des Sohnes sowohl den Betreuungs- als auch den Barunterhalt erbringt, ohne wegen dem Unterhaltsanspruch gegen die Mutter außergerichtliche Schritte im Sinne von § 1613 BGB geltend zu machen oder im Wege eines Unterhaltsleistungsantrags vorzugehen.
3. Konkurrierender Unterhaltstitel
Rz. 18
Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch darf auch nicht zu einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung in Wiederspruch stehen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Unterhaltsverpflichtete, der an sein unterhaltsberechtigtes Kind jeweils die Unterhaltsbeträge gezahlt hat, zu deren Leistung er ihm gegenüber rechtskräftig verurteilt worden ist, nur seiner eigenen rechtskräftig festgestellten Unterhaltspflicht nachgekommen ist, nicht aber eine Verbindlichkeit erfüllt hat, die sich im Verhältnis gegenüber dem Kind als Verpflichtung des anderen Elternteils darstellt. Bei dieser Sachlage entspricht die Zubilligung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht dem Sinn und Zweck dieses Anspruchs. Der Ausgleichsanspruch ist nicht dazu bestimmt, gerichtlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtungen, die auf einer Abwägung der Leistungsfähigkeit beider Eltern beruhen, durch "Ausgleich" von Unterhaltsanteilen im Verhältnis der Eltern zueinander abzuändern. Dies bedeutet, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte immer nur im Einklang mit dem Titel Ausgleichsansprüche erheben kann.
Dies ist aber dann problematisch, wenn ein Obhutswechsel vollzogen wird. Der Elternteil, der sich nunmehr um das Kind kümmert, wird aufgrund eines rechtskräftigen Unterhaltstitels formal immer noch zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sein. Er kann daher seinerseits nur Unterhalt fordern bzw. einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn zuvor der bestehende Unterhaltstitel abgeändert wurde oder die Beteiligten insoweit zumindest eine außergerichtliche Einigung herbeigeführt haben.
Im Gegensatz zu der durch gerichtliche Entscheidung auferlegten Unterhaltsverpflichtung können Unterhaltsregelungen in gerichtlichen Vergleichen – wie in vollstreckbaren Urkunden – nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Sie "sperren" daher einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht. Insbesondere können gerichtliche Vergleiche im Unterschied zu rechtskräftigen Unterhaltsbeschlüssen (vgl. § 238 Abs. 3 FamFG) ohne Rückwirkungssperre abgeändert werden.