Dipl.-Kfm. Michael Scherer
A. Vorbemerkung
Rz. 1
→ Dazu Aufgaben Gruppe 5
Das Mahnverfahren verfolgt den Zweck, dem Gläubiger auf relativ schnelle Weise entweder Geld von dem Schuldner zu verschaffen oder ihm einen Vollstreckungstitel, den Vollstreckungsbescheid, gegen den Schuldner in die Hand zu geben. Die Hoffnung des Gläubigers, durch Vermeidung eines Prozesses schnell zu einem Titel zu kommen, wird in der Praxis jedoch oft enttäuscht, da viele Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen. Im Mahnverfahren bezeichnet man den Gläubiger als Antragsteller und den Schuldner als Antragsgegner.
Häufig wird der RA des Antragstellers erst dann im Mahnverfahren tätig, nachdem sein erster Auftrag, die Eintreibung einer Forderung auf außergerichtliche Weise zu versuchen, gescheitert ist. Da der RA sich schon in die Sache eingearbeitet hat, wird dann die Gebühr für seine vorangegangene Tätigkeit auf die ihm nun erwachsende Mahnverfahrensgebühr angerechnet, wie dies schon in § 4 Rdn 28 ff. am Beispiel der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die im Prozess entstehende Verfahrensgebühr dargestellt wurde. Schließt sich dann wiederum nach Widerspruch des Antragsgegners gegen den Mahnbescheid ein Prozess an das Mahnverfahren an, findet mit der gleichen Begründung abermals eine Anrechnung der bisher entstandenen Gebühren auf die nun im Prozess entstehende Verfahrensgebühr statt.
B. Die Gebühren des Rechtsanwalts des Antragstellers
Rz. 2
Im Mahnverfahren erhält der Rechtsanwalt des Antragstellers eine Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren ("Mahnverfahrensgebühr") und gegebenenfalls eine Verfahrensgebühr für die Beantragung des Vollstreckungsbescheids ("Vollstreckungsbescheidsgebühr").
I. Die Mahnverfahrensgebühr
1. Die Entstehung der Mahnverfahrensgebühr
Rz. 3
Für die Tätigkeit im Mahnverfahren erhält der RA des Antragstellers eine 1,0 Verfahrensgebühr (Nr. 3305 VV RVG). Diese 1,0 Mahnverfahrensgebühr ist eine Verfahrenspauschgebühr, die von der Auftragsannahme bis einschließlich der Mitteilung des Widerspruchs an den Auftraggeber alle Einzeltätigkeiten abgilt und damit Ähnlichkeit mit der Verfahrensgebühr im Zivilprozess hat (Nr. 3100 VV RVG, vgl. § 7 Rdn 6). Die Gebühr ist schon damit entstanden, dass der RA den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids bei Gericht einreicht; ob der Mahnbescheid dann auch erlassen wird, ist für das Entstehen der Gebühr unbedeutend.
Beispiel:
RA Fleißner hat den Auftrag, einen Kaufpreis von 900,00 EUR im Mahnverfahren einzufordern. RA Fleißner reicht den Antrag beim Mahngericht ein. Nach Erhalt der Kostenrechnung vom Mahngericht zahlt er die angeforderten Gerichtskosten ein. Seinem Auftraggeber sendet RA Fleißner daraufhin folgende Vergütungsrechnung:
Gegenstandswert: 900,00 EUR
1,0 |
Verfahrensgebühr im Mahnverfahren gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3305 VV RVG |
88,00 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
17,60 EUR |
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105,60 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
20,06 EUR |
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125,66 EUR |
Vorgelegte Gerichtskosten vom …
0,5 |
Verfahrensgebühr über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gem. §§ 3, 34 GKG, Nr. 1100 KV GKG (Mindestgebühr) |
36,00 EUR |
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161,66 EUR |
Rz. 4
Erledigt sich jedoch der Auftrag nach Entgegennahme der Information, aber vor Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei Gericht, erhält der RA nach Nrn. 3305, 3306 VV RVG nur eine 0,5 Mahnverfahrensgebühr wegen vorzeitiger Beendigung. Der entscheidende Zeitpunkt ist der Eingang des Antrags bei dem zuständigen Mahngericht. Diese Gebühr entsteht auch, wenn der RA nur einen Schriftsatz (z. B. die Rücknahme des vom Mandanten selbst gestellten Antrages) einreichen soll, dies dann aber nicht geschieht.
Beispiel:
RA Tutnix bespricht eine Forderungsangelegenheit mit seinem Mandanten und erhält den Auftrag, das Mahnverfahren einzuleiten. Als RA Tutnix gerade dabei ist, seine Auszubildende Nicole mit der Bearbeitung des Mahnantrags zu beauftragen, ruft der Mandant an und teilt mit, die Sache habe sich erledigt, da der Schuldner die geforderten 1.500,00 EUR soeben gezahlt habe. RA Tutnix lässt Nicole daraufhin folgende Vergütungsrechnung erstellen:
Gegenstandswert: 1.500,00 EUR
0,5 |
Verfahrensgebühr im Mahnverfahren bei vorzeitiger Beendigung gem. §§ 2, 13 RVG, Nrn. 3305, 3306 VV RVG |
63,50 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
12,70 EUR |
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76,20 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
14,48 EUR |
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90,68 EUR |
Rz. 5
Sollte der RA nach Stellung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids einen Vertrag über eine Einigung mit dem Schuldner abschließen, erhält er zusätzlich zu der Verfahrensgebühr für die Antragstellung noch eine 1,0 Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV RVG, siehe § 2 Rdn 166 ff.).
Rz. 6
Für auf die Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens gerichtete Besprechungen außerhalb des Gerichts mit der Gegenseite (Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Ziff. 2 VV RVG) kann nach der Vorbemerkung 3.3.2 vor Nr. 3305 VV RVG eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG entstehen. In dem maschinell gestalteten gerichtlichen Mahnverfahren finden...