Rz. 144

Hat der Kläger die Klage beim Landgericht erhoben, so kann für das Verfahren nach § 348 Abs. 1 ZPO

entweder ein Mitglied einer Kammer als Einzelrichter originär zuständig sein oder
aufgrund des Kataloges der Spezialzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO oder aufgrund des noch geringen Dienstalters des potenziellen Einzelrichters nach § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO die Kammer als Kollegium.
 

Rz. 145

Hat der Beklagte aufgrund der gesetzlichen Regelung nach § 348 ZPO und der internen Geschäftsverteilung des angerufenen Landgerichts, insbesondere der Frage, ob das Gericht von dem Katalog der Spezialzuständigkeiten nach § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat, festgestellt, ob der Einzelrichter oder die Kammer zuständig ist, muss er sich entscheiden, ob er es hierbei belassen will.

 

Rz. 146

 

Hinweis

Solchen Anträgen kann auch unter taktischen Gesichtspunkten, insbesondere als Möglichkeit der Verfahrensverzögerung, Bedeutung zukommen. Es kann aber auch sinnvoll sein, eine Sache vor der Kammer zu verhandeln, weil bekannt ist, dass der Einzelrichter eine von der Kammerauffassung abweichende Auffassung zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage vertritt oder weil entweder der Einzelrichter oder aber die Kammer bei der Bemessung von Schmerzensgeld besonders großzügig oder besonders zurückhaltend sind.

a) Die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters

 

Rz. 147

Ist der Einzelrichter originär zuständig, so gibt § 348 Abs. 3 ZPO dem Beklagten die Möglichkeit anzuregen,[74] dass der Rechtsstreit der Kammer zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Übernahme durch die Kammer muss durch Beschluss erfolgen. Anderenfalls liegt ein nicht heilbarer Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters vor, der zur Aufhebung aller nachfolgenden Entscheidungen führen muss.[75]

 

Rz. 148

Dies setzt voraus, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder aber dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

 

Rz. 149

 

Hinweis

Verbleibt die Sache beim Einzelrichter, so beschneidet sich der Beklagte grundsätzlich seine weiteren Rechtsschutzmöglichkeiten:

Wird gegen eine Entscheidung des Einzelrichters sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO eingelegt, so entscheidet das Beschwerdegericht nach § 568 ZPO grundsätzlich auch durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Dies hat zur Folge, dass dieser Einzelrichter beim Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO nicht zulassen kann, ohne die Sache zuvor auf den Senat übertragen zu haben, was regelmäßig unterlassen wird. Entscheidet nämlich der Einzelrichter in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, über die Beschwerde und lässt in der Folge die Rechtsbeschwerde zu, so ist zwar die Zulassung der Rechtsbeschwerde wirksam, die Entscheidung unterliegt jedoch auf die Rechtsbeschwerde wegen der fehlerhaften Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung von Amts wegen und der Zurückweisung.[76]
Auch die Berufung nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO und die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts fordert. Hat der Beklagte darauf verzichtet, nach § 348 Abs. 3 ZPO zu beantragen, die Rechtssache vom Einzelrichter auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu übertragen, so wird es ihm schwer fallen, zur Begründung der Zulassung der Berufung oder der Revision jetzt die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache zu begründen.
 

Rz. 150

Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen des Rechtsmittelweges kann eine Entscheidung durch die Kammer auch aus anderen Gründen geboten sein.

Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art können bei schwierigen Beweiswürdigungen etwa im Rahmen der Behauptung eines fingierten Unfallereignisses vorliegen.

 

Rz. 151

 

Praxistipp

Hat der Rechtsstreit für die Parteien eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, so begründet sich hieraus zwar nicht zwingend eine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art oder gar die grundsätzliche Bedeutung der Sache. Ungeachtet dessen zeigt die Praxis, dass eine Übertragung auf die Kammer erfolgt, wenn in diesen Fällen beide Parteien die entsprechende Übertragung beantragen. Auch zeigt sich in der Praxis, dass eine Übertragung einer originär dem Einzelrichter zustehenden Sache auf die Kammer dann sinnvoll sein kann, wenn es außerhalb der Sach- und Rechtslage liegende Motive der Parteien zu überwinden gilt, die einer gütlichen Einigung entgegenstehen. Letztlich gilt es für den Rechtsanwalt wie für das Gericht, diese Fragen mit der notwendigen Sensibilität für den Einzelfall zu beantworten.

 

Rz. 152

Die grundsätzliche Bedeutung der Sache ist gegeben, wenn der konkret zu entscheidende Rechtsstreit eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

 

Rz. 153

Insbesondere kommt die Zulassung also in Betracht bei Musterprozessen oder Prozessen über die Auslegung typischer Vertragsbestimmungen, von Ta...

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