Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Gerichts bei Ablehnung des Einzelrichters der Zivilkammer wegen Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
Wird ein (originärer oder obligatorischer) Einzelrichter der Zivilkammer beim LG im ersten Rechtszug wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, entscheidet darüber die Kammer, der der abgelehnte Richter angehört, durch einen anderen Einzelrichter und nicht durch das Kollegium (Änderung der bisherigen Senatsrechtsprechung).
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 2, §§ 348, 348a
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 26.09.2005; Aktenzeichen 2 O 182/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung durch den Einzelrichter der 2. Zivilkammer an das LG Landau i.d. Pfalz zurückverwiesen.
II. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der ersten Instanz vorbehalten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der im Jahr 2004 erhobenen Klage beansprucht der Kläger Ersatz für Schäden, die an seinem Hausanwesen durch Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück der Beklagten entstanden sein sollen. Die 2. Zivilkammer des LG Landau i.d. Pfalz hat in der Annahme der Zuständigkeit des Kollegiums für die Entscheidung des Rechtsstreits nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts i.V.m. § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c ZPO (Verfügung Bl. 8 d.A.) durch Beschluss vom 6.12.2004 (Bl. 39 d.A.) die Sache ihrem nach der kammerinternen Geschäftsverteilung zum Berichterstatter bestimmten Mitglied (VorsRiLG Dr. K.) gem. § 348a ZPO als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beklagte hat den Einzelrichter mit Schriftsatz vom 9.8.2005 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.9.2005 hat die 2. Zivilkammer des LG Landau i.d. Pfalz in voller Besetzung des Spruchkörpers ohne Mitwirkung des abgelehnten Einzelrichters das Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde, über die der Senat in Dreierbesetzung zu entscheiden hat (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO), ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, wahrt die gesetzliche Form und Frist (§ 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und ist auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei.
Das Rechtsmittel erzielt auch in der Sache - ohne dass die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs zu prüfen wäre - aus Rechtsgründen einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Denn der angefochtene Beschluss der Zivilkammer ist, weil ihn der für die zu treffende Entscheidung funktionell unzuständige Spruchkörper in der Besetzung mit drei Richtern anstelle des geschäftsplanmäßig berufenen Vertreters des abgelehnten Vorsitzenden Richters als Einzelrichter erlassen hat, nicht durch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ergangen. Die Entscheidung des LG leidet deshalb an einem wesentlichen Verfahrensmangel, der zu ihrer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz führt.
Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
1. Nach § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit eines Richters das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Wird beim LG ein Einzelrichter der Zivilkammer im ersten Rechtszug abgelehnt, hat über die Ablehnung nach hergebrachter Auffassung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur das vollbesetzte Kollegium zu befinden, dem der Einzelrichter als Mitglied angehört. In dieser Weise verfährt auch die Gerichtspraxis im hiesigen Oberlandesgerichtsbezirk, und das entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats (erstmals offen gelassen - weil dort nicht entscheidungserheblich - im Beschluss des OLG Zweibrücken v. 24.8.2005 - 3 W 159/05).
Unter der Geltung des am 1.1.2002 in Kraft getretenen Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) kann an dieser Rechtsmeinung jedoch nicht mehr festgehalten werden. Als Folge der weitgehenden Aufgabe des Kollegialprinzips bei den LG ist vielmehr davon auszugehen, dass nach der vom Reformgesetzgeber gewollten Gesamtkonzeption der reformierten ZPO über das einen Einzelrichter nach §§ 348, 348a ZPO n.F. betreffende Ablehnungsgesuch jetzt ein Einzelrichter der Zivilkammer zu entscheiden hat, sofern das Verfahren - wie hier - nach dem 1.1.2002 anhängig geworden ist (vgl. § 26 Nr. 2 EGZPO).
2. Die Frage, ob nach In-Kraft-Treten der Zivilprozessreform die Entscheidungskompetenz bei Ablehnung eines originären oder obligatorischen Einzelrichters i.S.d. §§ 348, 348a ZPO n.F. weiterhin bei dem vollbesetzten Spruchkörper liegt, ist in Schrifttum und obergerichtlicher Rechtsprechung umstritten.
a) Von den Befürwortern der Entscheidung durch das Kollegium werden dabei im Wesentlichen die folgenden Argumente ins Feld geführt: Unter dem Begriff "Gericht" in § 45 Abs. 1 ZPO sei der durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper des Abgelehnte...