Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 17
Liegt gegen den Beklagten bereits eine Entscheidung in Form eines Versäumnisurteils (oder einem diesem gleichgestellten Vollstreckungsbescheid) vor, weil er verpasst hat, sich innerhalb der Notfrist von zwei Wochen gegen die Klage zu verteidigen (oder gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einzulegen), oder weil er zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht (rechtzeitig) erschienen ist, bleibt ihm noch die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen seit der Zustellung dieses Versäumnisurteils (oder Vollstreckungsbescheids) an beide Parteien Einspruch einzulegen, § 338 ZPO. Es handelt sich um eine nicht verlängerbare Notfrist, § 339 Abs. 1 ZPO. Mit diesem Rechtsbehelf gelangt der Beklagte in die ursprüngliche Verfahrenssituation zurück, § 342 ZPO. Das bedeutet für ihn, dass er, wie in einem anderen Prozess auch, den Antrag auf Klageabweisung stellen kann und dazu Behauptungen und Beweisantritte vorbringen kann.
Rz. 18
Weil der Kläger aus dem Versäumnisurteil bereits vollstrecken kann, und zwar ohne Sicherheitsleistung, § 708 Nr. 2 ZPO, sollte der den Beklagten vertretende Rechtsanwalt beantragen, dass die Zwangsvollstreckung gegen Leistung von Sicherheiten einstweilen durch Beschluss eingestellt wird, §§ 719 Abs. 1, 707 ZPO.
Rz. 19
Lässt der Beklagte gegen sich ein Versäumnisurteil ergehen, kann der Kläger nicht nur die Kosten, die zusätzlich durch dieses Procedere entstanden sind, ersetzt verlangen, sondern darüber hinaus (zunächst, solange das Gericht die Zwangsvollstreckung nicht einstweilen einstellt,) aus dem Versäumnisurteil – ohne Sicherheitsleistung – vollstrecken. Gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 707 ZPO darf die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war. Der Einspruch des Beklagten wäre deshalb wie folgt zu formulieren.
Formulierungsbeispiel
„In pp. lege ich gegen das am […] verkündete Versäumnisurteil, zugestellt am […],
Einspruch
ein und beantrage,
1. |
das Versäumnisurteil vom […] aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
2. |
die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. |
Begründung:
Ich beziehe mich auf meinen bisherigen Sachvortrag nebst Beweisantritten. Ergänzend trage ich wie folgt vor: […]“
Rz. 20
Sollte der Beklagte die Einspruchsfrist (Notfrist) von zwei Wochen seit der Zustellung unverschuldet versäumt haben, muss für ihn zusätzlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, also in die Zeit der laufenden Einspruchsfrist beantragt werden, § 233 ZPO. Die Wiedereinsetzungsgründe sind glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 ZPO. Der Wiedereinsetzungsantrag ist seinerseits binnen zwei Wochen zu stellen ab dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, §§ 234 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO. Zudem muss die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden, in diesem Zusammenhang also der Einspruch eingelegt werden.
Formulierungsbeispiel
„In pp. zeige ich die Vertretung des Beklagten an und beantrage, diesem
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren und lege gleichzeitig
Einspruch
gegen das am […] zugestellte Versäumnisurteil des Landgerichts […] vom […] ein.
In der Sache beantrage ich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führe ich aus:
Das Versäumnisurteil wurde dem Beklagten durch Niederlegung im Briefkasten zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der verheiratete Beklagte beruflich auf einer mehrwöchigen Auslandsreise. Seine instruierte, jedoch unerwartet erkrankte Ehefrau, welche sich in stationärer Behandlung befand, konnte ihn über die Zustellung nicht informieren. Erst nach seiner Rückkehr hat der Beklagte die Benachrichtigungskarte vorgefunden und Kenntnis von dem Versäumnisurteil erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war die zweiwöchige Einspruchsfrist abgelaufen. Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf die als
Anlagen B1 und B2 beigefügten
eidesstattlichen Versicherungen des Beklagten und von dessen Ehefrau. Ich versichere anwaltlich, dass mir die eidesstaatlichen Versicherungen im Original vorliegen. Auf Wunsch des Gerichtes werde ich die Originale dem Gericht übersenden.
In der Sache wird wie folgt vorgetragen: […]“
Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden, § 234 Abs. 3 ZPO. Das bedeutet, dass dem Mandanten eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen für die Wiedereinsetzung seit Fristende zusteht. Danach steht der Rechtsbehelf nicht mehr zur Verfügung. Gegen die Versäumung der Ausschlussfrist gibt es auch keine Wiedereinsetzung.