Rz. 53
Gem. § 14 Nr. 2 WEG hat jeder Wohnungseigentümer das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst. Der Normalfall eines Duldungsanspruchs sieht so aus, dass Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum im räumlichen Bereich einer Wohnung durchgeführt werden müssen, z.B. nach einem Wasserschaden, oder zwecks Leitungs- oder Balkonsanierung. Auch entsprechende Voruntersuchungen sind hinzunehmen, sofern es dafür einen Anlass gibt.
Rz. 54
Durch das Betreten wird der durch Art. 13 GG geschützte Bereich der Privatwohnung berührt, weshalb an das Vorliegen der Duldungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die bloße Kontrolle ohne Anlass, ob Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind, stellt jedenfalls keinen ausreichenden Grund für das Betreten von Wohnungen dar. Klauseln in der Teilungserklärung oder im Verwaltervertrag, die dem Verwalter aus Kontrollgründen ein generelles Betretungsrecht gewähren, sind unwirksam (→ § 10 Rdn 117). Ein Anspruch auf Betreten kann sich aber auch ohne Instandsetzungsbedarf ergeben, sei es zu dem Zweck, als Grundlage für eine Entscheidung über die Kostenverteilung die Wohnungen zu vermessen, sei es, um bei auffällig niedrigen Verbrauchswerten die Heizkörper und Heizkostenverteiler zu überprüfen.
Rz. 55
Mieter (oder anderweitige "Fremdnutzer") sind nicht an die Duldungspflichten des § 14 Nr. 1 WEG gebunden und können deshalb von der Gemeinschaft nicht auf Gestattung des Zutritts in Anspruch genommen werden. Bei vermieteter Wohnung muss die WEG den "Umweg" über die Inanspruchnahme des Eigentümers in Kauf nehmen. Einen Sonderfall stellt die gerichtlich angeordnete Beweisaufnahme durch einen Sachverständigen dar. Wenn bspw. die WEG im Rechtsstreit gegen den Bauträger Untersuchungen des Gemeinschaftseigentums im räumlichen Bereich einer Wohnung durchführen lassen muss, hat der Wohnungseigentümer das zwar gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG zu dulden; er kann aber (weil er nicht Partei des Rechtsstreits ist) von dem die Beweisaufnahme durchführenden Gericht nicht gem. § 144 Abs. 1 S. 3 ZPO dazu gezwungen werden. Verweigert der Wohnungseigentümer den Zutritt, muss die WEG ihr Betretungsrecht gesondert (ggf. per einstweiliger Verfügung) durchsetzen.
Rz. 56
Wenn das Betretungsrecht ausgeübt werden soll, ist dem davon betroffenen Wohnungseigentümer der Termin eine ausreichend lange Zeit im Voraus anzukündigen. Das gilt natürlich nicht in Eilfällen, wenn z.B. ein aktueller Wasserschaden abgestellt werden soll; dann kann der Zutritt auch mit einstweiligem Rechtsschutz erzwungen werden. Wenn der (ausreichend angekündigte) Termin scheitert, kann der Zutritt gerichtlich erzwungen werden. Der Klageantrag sollte nicht nur die Duldung des Zutritts beinhalten, sondern auch die Zutrittsgewährung konkretisieren ("durch Öffnen der Tür"). So oder so kann die Gemeinschaft wahlweise nach den § 890, 892 ZPO (Ordnungsgeld zu Erzwingung der Duldung) als auch nach § 887 ZPO vollstrecken (→ § 4 Rdn 133), sodass die Gemeinschaft mit Hilfe des Gerichtsvollziehers und eines Schlüsseldienstes den Zutritt zur Wohnung erzwingen kann).
Rz. 57
Muster 6.7: Antrag einer Klage zur Durchsetzung des Betretungsrechts
Muster 6.7: Antrag einer Klage zur Durchsetzung des Betretungsrechts
1. Der Beklagte wird verurteilt, das Betreten seiner Wohnung Nr. 8 im Haus Heinestraße 12, 75234 Musterstadt durch einen Mitarbeiter der X-Immobilien GmbH [WEG-Verwalterin] zusammen mit den von der Klägerin beauftragten Handwerkern zu dulden und diesen Personen durch Öffnen der Wohnungseingangstür den Zugang zur Wohnung zu verschaffen, damit in der Wohnung festgestellt werden kann, ob die dort verlaufende Steigleitung der Heizung instandsetzungsbedürftig ist und damit sie gegebenenfalls instand gesetzt werden kann.
2. Androhung Ordnungsgeld → § 3 Rdn 73