1 Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG einen Anspruch auf Betretung einer Wohnung haben.

2 Normenkette

§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG

3 Das Problem

Aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Jahresabrechnung besteht der Verdacht, dass die funkbasierten Heizkostenverteiler in der Wohnung von Wohnungseigentümer B manipuliert werden. Für eine Kontrolle verweigert dieser allerdings den Zutritt zu seiner Wohnung. Die Wohnungseigentümer ermächtigen daher die Verwaltung, den Anspruch auf Zutritt zur Überprüfung der Heizkostenverteiler mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K beantragt daher gegen Wohnungseigentümer B, es zu dulden, dass seine Wohnung von einem Mitarbeiter der Verwaltung zusammen mit Mitarbeitern der Heizungsablesefirma betreten wird. Diese Personen sollen feststellen, ob die Heizkostenverteiler ordnungsmäßig montiert sind und die Heizleistung korrekt erfassen. Im Laufe des Rechtsstreits ergibt dann bereits eine Durchsuchung der Wohnung durch die Strafverfolgungsbehörden in Anwesenheit von Mitarbeitern des Heizungsablesedienstes, dass B die Heizkostenverteiler demontiert hatte (die Funkübertragung blieb weiterhin gewährleistet). Die Parteien erklären den Rechtsstreit danach übereinstimmend für erledigt. Fraglich ist, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

4 Die Entscheidung

Das AG meint, B müsse die Kosten tragen! Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K habe einen Anspruch auf Duldung des Zutritts aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG gehabt. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG ermögliche es in Anlehnung an § 14 Abs. 4 Halbsatz 1 WEG a. F. und unter Heranziehung der dazu entwickelten Grundsätze, unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen (und Grundrechtspositionen) im Einzelfall ein anlassbezogenes, auf konkrete Tatsachen gestütztes Betretungsrecht zugunsten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anzunehmen (Hinweis auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 21).

K habe auch kein allgemeines Betretungsrecht oder eine Routinekontrolle durchsetzen wollen. Die von Heizkostenverteilern aufgezeichneten und im Rahmen einer (Funk-)Ablesung übermittelten Verbrauchswerte dienten ihrem Sinn, Zweck und Anwendungsbereich nach der Abrechnung der Heizkosten (nach Verbrauch), und zwar gegenüber allen Wohnungseigentümern nach dem jeweilig geltenden Umlageschlüssel. Ebenso wie der Einbau und die Ablesung von Erfassungsgeräten einen Grund für eine Duldungspflicht sein könnten (Hinweis auf AG Sonthofen, Urteil v. 4.10.2018, 1 C 813/17; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 27), gelte dies für eine anlassbezogene Überprüfung von deren Funktionsfähigkeit. Es habe im Fall auch ausreichende Anhaltspunkte für die mangelnde Funktionsfähigkeit der im Jahr 2017 neu installierten (Funk-)Heizkostenverteiler gegeben. Diese habe K auf die – im "Lichte" der Größe von B's Wohnung und der Verbräuche in den Vorjahren – ersichtlich deutlich zu geringen Verbrauchswerte, welche die Geräte erfasst hatten, gestützt. Selbst wenn sich B insoweit auf die grundrechtlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG berufen könne, überwögen danach die Interessen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

5 Hinweis

Problemüberblick

Es geht im Fall um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Anspruch hat, dass ihre Organe und/oder Werkunternehmer/Handwerker/Sachverständige eine Wohnung betreten dürfen, also Räume, die im Sondereigentum stehen.

Verpflichtung zur Duldung des Betretens des Sondereigentums

Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums zu dulden. Welche Voraussetzungen für diesen Anspruch erfüllt sein müssen, bestimmt § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG nicht. Nahe liegt, dass die Duldungspflicht nur besteht, wenn dies im konkreten Fall erforderlich ist. Ein allgemeines Betretungsrecht räumt § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG also nicht ein. Anlass dieser Duldungsverpflichtung ist in der Regel eine Vereinbarung oder ein Beschluss der Wohnungseigentümer, zu deren Umsetzung eine Betretung des Sondereigentums notwendig wird. Inhaltlich wird es sich hierbei meist um die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handeln. Solche Maßnahmen sind einem Wohnungseigentümer entsprechend § 555a Abs. 2 BGB rechtzeitig von der Verwaltung formfrei anzukündigen. Was "rechtzeitig" ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Abzuwägen sind u. a. die zu erwartenden Beeinträchtigungen des Sondereigentums und seiner Nutzer sowie die Dringlichkeit der Maßnahme. In der Regel sind 2 Wochen ausreichend, aber auch notwendig. Die Ankündigungspflicht entfällt, wenn mit der Erhaltungsmaßnahme nur eine unerhebliche Einwirkung verbunden oder ihre sofortige Durchführung zwingend erforderlich ist. Beispiele sind dringende Reparaturen nach einem Rohrbruch, des zerstörten Dachs nach einem Unwetter oder Schäden nach einem Brand. Auch hier ist jeweils nach den Umständen zu werten. Stets ist eine Abwägung der jeweils betroffenen Interessen erforderlich. Grund...

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