Rz. 156
Ob einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch für den von ihm aufgebauten Kundenstamm analog Handelsvertretergrundsätzen gem. § 89b HGB zusteht, ist problematisch und kann auch nicht allgemein beurteilt werden. Dies hängt vom jeweiligen Franchise-System, aber auch davon ab, ob der Franchisenehmer Einmalkunden oder sog. Stammkunden akquiriert hat. Eine allgemeine Aussage ist nicht möglich.
Es liegen zwar erstinstanzliche Entscheidungen des LG Frankfurt am Main vom 10.12.1999 und des LG Hanau vom 28.5.2005 vor, wobei das Urt. d. LG Frankfurt am Main durch einen in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Frankfurt am Main am 16.9.2003 abgeschlossenen Vergleich bestätigt wurde, doch kommt es immer auf die Beurteilung des Franchisevertrags im Einzelfall an. Auch das OLG Celle geht in seinem Urt. v. 22.3.2007 davon aus, dass grds. einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch nach Handelsvertretergrundsätzen analog § 89b HGB zustehen kann.
Möglicherweise zeichnet sich aber eine Tendenzwende für den Ausgleichsanspruch eines Franchisenehmers nach Handelsvertretergrundsätzen ab: der BGH hat nämlich mit Beschl. v. 29.4.2010 festgestellt, dass eine entsprechende Anwendung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs bei Markenlizenzverträgen nicht in Betracht kommt. Insoweit heißt es in den beiden Leitsätzen der Entscheidung:
Zitat
1. |
Dem Lizenznehmer eines Markenlizenzvertrags kann bei Beendigung des Lizenzverhältnisses ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 89b HGB (…) zustehen. Eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB setzt demnach die Einbindung des Lizenznehmers in die Absatzorganisation des Lizenzgebers sowie die Verpflichtung des Lizenznehmers voraus, dem Lizenzgeber seinen Kundenstamm zu übertragen. |
2. |
Ist der Markeninhaber und Lizenzgeber auf dem Gebiet der vom Lizenznehmer vertriebenen Waren selbst nicht tätig, so sind die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB im Regelfall nicht gegeben. |
Daraus folgt, dass dann bei Franchiseverträgen kein Ausgleichsanspruch nach Handelsvertreterrecht zu gewähren ist, wenn der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarungen lediglich in der Lizenzgewährung (Überlassung des Know-hows eines Franchise-Systems, Nutzung der Markenrechte) liegt und übliche Absatzförderungspflichten des Franchisenehmers nicht zur Einbindung in die Absatzorganisation des Franchisegebers führen.
Eine weitere Einschränkung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs eines Franchisenehmers bei Beendigung des Franchisevertrags analog § 89b HGB ergibt sich aus der Entscheidung des BGH v. 5.2.2015. Dieser Entscheidung hat der BGH folgenden Leitsatz vorangestellt:
Zitat
"Bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, rechtfertigt eine bloße faktische Kontinuität des Kundenstamms nach Vertragsbeendigung eine entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht. (…)"
In der Entscheidung lässt es der BGH aber ausdrücklich offen, ob § 89b HGB grds. auf Franchiseverträge anzuwenden ist. Die Grundsatzfrage ist daher nach wie vor ungeklärt.
Auch aus der zivilrechtlichen Rspr. zur Anwendung von § 89b HGB auf Kommissionsagenturverhältnisse kann nicht abgeleitet werden, dass grds. § 89b HGB auf Franchiseverträge anzuwenden ist. Vielmehr bleibt es dabei, dass bei Franchiseverträgen jeweils grds. geprüft werden muss, ob die Analogievoraussetzungen bei einer Anwendung von § 89b HGB gegeben sind, wobei der Anwendungsbereich von § 89b HGB auf Franchiseverträge auf der Grundlage der BGH-Entscheidungen vom 29.4.2010 und vom 5.2.2015 nur noch ein eingeschränkter sein kann.
Bislang war davon ausgegangen worden, dass für die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Franchisenehmers analog den Handelsvertretergrundsätzen auf dessen Umsätze abzustellen ist. Dadurch, dass infolge der EuGH-Entscheidung vom 26.3.2009 § 89b Abs. 2 Nr. 2 HGB abgeändert worden ist, stehen nicht mehr die Umsätze des Franchisenehmers im Vordergrund; vielmehr ist entscheidend, ob der Franchisegeber nach Beendigung des Franchisevertrags aus dem übernommenen Kundenstamm des Franchisenehmers weitere Vorteile herleiten kann. Die Umsätze des Franchisenehmers bzw. etwaige an diesen geleistete Provisionen sind nur noch im Rahmen der Billigkeitserwägungen gem. § 89b Nr. 2 HGB n.F. von Bedeutung. Hier gilt es also für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Franchisenehmers nach Handelsvertretergrundsätzen die Rspr. zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs auf der Grundlage der geänderten Regelung in § 89b Nr. 2 HGB n.F. abzuwarten.
Wird der Franchise-Vertrag fristlos aus einem vom Franchise-Nehmer zu vertretenen wichtigen Grund gekündigt, dann ist ein etwaiger Ausgleichsanspruch § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausgeschlossen.
Ob neben einem solchen Ausgleichsanspruch auch ein sog. Investitionserstattungsanspruch besteht, d.h. ein Anspruch des Franc...