Rz. 109

In der Fachwelt gibt es seit vielen Jahren die Diskussion zur sachgerechten Bewertung von sog. "kleinen und mittleren Unternehmen" (KMU).[194] Aufgrund der in der Praxis regelmäßig beobachtbaren pauschalen Vorgehensweisen (insbes. Zuschläge auf den Kapitalisierungszinssatz) haben sich das IDW und die Bundessteuerberaterkammer mit den Besonderheiten zur Bewertung solcher Unternehmen beschäftigt und die gewonnenen Erkenntnisse in Form eines überwiegend gleichlautenden Praxishinweises konkretisiert.[195] Mit Veröffentlichung des Praxishinweises 1/2014 wurden ergänzende Ausführungen gegeben, wie bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte mit KMU-spezifischen Besonderheiten umzugehen ist. Bei diesen Ausführungen handelt es sich jedoch lediglich um Hilfestellungen. Es handelt sich nicht um zusätzliche Anforderungen oder Ausnahmen von der Anwendung maßgeblicher Berufsgrundsätze wie dem IDW S 1.[196]

 

Rz. 110

Aufgrund der unterschiedlichsten quantitativen Abgrenzungsmerkmale und der Tatsache, dass sich mittelständische Betriebe nur bedingt anhand normativer Größenordnungen identifizieren lassen, stellt sowohl die Theorie als auch die Praxis bei der Abgrenzung von KMU gegenüber Großunternehmen insbesondere auf qualitative Eigenschaften ab, welche ein besonderes Vorgehen bei der Unternehmensbewertung erfordern. Bei der Unternehmensbewertung von entscheidender Bedeutung ist die Personenbezogenheit. KMU zeichnen sich dadurch aus, dass eine weitgehende Einigkeit von Eigentum und Verfügungsmacht besteht und der Eigentümer im Mittelpunkt der Leistungserstellung steht. Im Gegensatz zu Großunternehmen verfügen KMU zumeist über kein unabhängiges Management. Den Eigentümern obliegt grundsätzlich die Geschäftsführung und sie haben einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens bspw. durch ihre Kontakte, ihre besonderen Fähigkeiten, ihr spezielles Know-how oder ihre Reputation.[197] Der unternehmerischen Fähigkeit der Eigentümer kommt daher eine erhebliche Bedeutung zu.[198] Davon abzugrenzen sind reine Kapitalbeteiligungen, bei denen Gesellschafter oder Aktionäre keinen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Unternehmen haben.

[194] Vgl. Zeidler, Besonderheiten der Bewertung von Unternehmensanteilen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen, 53 ff.; Peemöller, BB Special 2005, 30 ff.; Jonas, WPg. 2008, Sonderheft 8, 117 ff.; Behringer, Unternehmensbewertung der Mittel- und Kleinbetriebe, S. 240 ff.; Nestler, BB 2012, 1271 ff.; Ihlau/Duscha/Gödecke, Besonderheiten bei der Bewertung von KMU, S. 3 ff.
[195] Vgl. IDW-Praxishinweis 1/2014 "Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes kleiner und mittelgroßer Unternehmen", WPg. Supplement 2/2014, 28 ff. sowie Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen, 2014.
[196] Vgl. IDW Praxishinweis 1/2014, Rn 4.
[197] Vgl. Hachmeister/Ruthardt, DStR 2014, 158.
[198] Vgl. IDW S 1 (2008), Rn 154.

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