Wesentlichkeitsanalyse - Leitfaden ifaa

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ursprünglich ein Werkzeug aus der Finanzberichterstattung. Sie wird jedoch auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung relevant. Das ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft hat kürzlich eine Arbeitshilfe entwickelt, die Unternehmen bei der Durchführung unterstützen soll.

Anforderungen an Unternehmen

Die Unternehmen werden mit einer zunehmenden Anzahl und Komplexität von Themen sowie Anforderungen verschiedener Anspruchsgruppen (Stakeholder) konfrontiert. Aufgrund begrenzter Ressourcen wird es immer wichtiger sich auf wesentliche Dinge zu konzentrieren. Doch was ist wesentlich für ein Unternehmen? Eine Methode, um dies zu identifizieren ist die Wesentlichkeitsanalyse. Zweck einer Wesentlichkeitsanalyse ist die systematische Erfassung, Bewertung und Auswahl von Themen und Handlungsfeldern in Unternehmen. Sie wird in der zukünftig für große Unternehmen in Europa rechtsverbindlichen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie freiwillig anwendbaren Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (z. B. Global Reporting Initiative) gefordert.

Neben der Erfüllung von rechtlichen Anforderungen kann eine Wesentlichkeitsanalyse weiteren Nutzen bieten. Sie kann helfen, im Rahmen einer Strategie- und Risikoplanung die Vielfalt und Komplexität von Themen durch Ordnung, Strukturierung und Priorisierung besser zu bewältigen. Dadurch lassen sich knappe Ressourcen effektiver und effizienter einsetzen und Kräfte im Unternehmen auf die richtigen Dinge fokussieren.

Methode zur Wesentlichkeitsanalyse

Die Wesentlichkeitsanalyse hat ihren Ursprung in der Finanzberichterstattung und wird auch als Materialitätsanalyse (engl. materiality analysis) bezeichnet. Im Finanzsektor dient sie der ganzheitlichen Erfassung und Darstellung von Einflüssen auf den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg. Nichtfinanzielle Zusatzinformationen sollen zur besseren Bewertung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen im unternehmerischen Gesamtkontext beitragen. Den Stakeholdern (Investoren, Aktionären, Banken) hilft sie, den Unternehmenswert, Risiken, Chancen sowie zukünftige Erfolgspotenziale einer Kapitalanlage besser beurteilen zu können.

Die Wesentlichkeitsanalyse wird von Unternehmen seit einigen Jahren auch als Bestandteil eines Nachhaltigkeitsmanagements und der Nachhaltigkeitsberichterstattung eingesetzt. In der Praxis hat sich jedoch bisher noch kein einheitlicher Methodenstandard etabliert. Damit eine Methode zur Wesentlichkeitsanalyse für Unternehmen nutzenbringend ist, sollte sich diese durch folgende Eigenschaften auszeichnen:

  • Konformität: Erfüllung rechtlicher und normativer Anforderungen.
  • Ganzheitlichkeit: Berücksichtigung aller für den Unternehmenserfolg relevanten Themenbereiche (Wirtschaft, Umwelt, Soziales, Technik).
  • Offenheit: Möglichkeit zur Abbildung betriebsspezifischer Rahmenbedingungen, Anforderungen sowie eigener Interessen.
  • Machbarkeit: Mit betrieblich verfügbaren Ressourcen durchführbar.
  • Einfachheit: Verständliche Handlungsanleitung und praktische Arbeitshilfen.

Zur Erfüllung der beschriebenen Anforderungen hat das ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft mit Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie eine Methode sowie dazugehörige Arbeitshilfe entwickelt. Der Leitfaden und die Arbeitshilfe können hier als kostenfreier Download bezogen werden.

Anwendung in Unternehmen

Eine Wesentlichkeitsanalyse kann in Unternehmen mit unterschiedlichem Aufwand durchgeführt werden. Der Aufwand hängt von dem Umfang der betrachteten Themen, dem Detaillierungsgrad und der Genauigkeit der Themenbewertung sowie der Anzahl der beteiligten internen und externen Personen ab. Um ein akzeptables Verhältnis von Aufwand und Nutzen zu erreichen, sollten sich Unternehmen zunächst Klarheit über den Verwendungszweck und die Ziele der Wesentlichkeitsanalyse verschaffen. Zu klären ist vor allem, ob Unternehmen die sehr umfangreichen, bürokratischen Anforderungen europäischer Richtlinien ( 2022/2464/EU, 2014/95/EU), Verordnungen ( 2023/2772/EU) sowie nationaler Gesetze (z. B. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) erfüllen müssen.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ohne Kapitalmarktorientierung, sind von den genannten Vorschriften nach aktuellem Stand ausgenommen. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist für sie freiwillig. KMU haben dadurch die Möglichkeit eine vereinfachte und auf ihre Ressourcen und individuellen Bedürfnisse besser zugeschnittene Methode zur Wesentlichkeitsanalyse anzuwenden. Dadurch lässt sich der Aufwand für eine Wesentlichkeitsanalyse reduzieren und der Nutzwert für das Unternehmen verbessern. Die vom ifaa entwickelte Methode und Arbeitshilfe ist offen für betriebsspezifische Anpassungen und deshalb auch für KMU geeignet. Im Gegensatz zu den EU-Vorschriften fokussiert sie sich nicht nur auf politisch vorgegebene Umwelt- und Sozialziele. Sie basiert auf einem ganzheitlichen Verständnis von Nachhaltigkeit, das auch wirtschaftliche und technische Themen und unternehmerische Zielsetzungen in diesem Bereich gleichrangig berücksichtigt. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit und damit die langfristige Existenz- und Erfolgssicherung von Unternehmen.

Damit eine Wesentlichkeitsanalyse nicht nur bürokratischen Aufwand zur Erfüllung externer Anforderungen erzeugt, sollte sie als strategisches Werkzeug in ein ganzheitliches Managementsystem integriert werden und an die betriebsspezifischen Merkmale angepasst sein. Sie sollte sich zudem nicht nur auf politisch vorgegebene Teilbereiche und Teilziele beschränken. Der damit verbundene größere Umfang der Themen bedeutet auf den ersten Blick einen höheren Analyseaufwand. Eine separate Analyse von wirtschaftlichen sowie technischen Themen und die nachträgliche Integration der Ergebnisse oder parallele Betrachtungen führen jedoch in der Regel zu einem insgesamt höheren Aufwand. Zudem kann eine isolierte und eingeschränkte Betrachtung von Themen in den Bereichen Umwelt und Soziales sowie Wirtschaft und Technik zu inkonsistenten und nicht aufeinander abgestimmten Zielen, Strategien und Maßnahmen in Unternehmen führen.


Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeitsberichterstattung, ESRS, CSRD