Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
Rz. 296
Für die Zeit vor der Teilung des Nachlasses bestehen Unterschiede zwischen der Gesamtschuldklage und der Gesamthandsklage.
1. Gesamtschuldklage
Rz. 297
Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes war dem Miterben die Erhebung der Gesamtschuldklage grundsätzlich nicht möglich. Dabei verwies das Reichsgericht vor allem auf das Innenverhältnis der Gesamtschuldner – der Gläubiger sollte zunächst Befriedigung aus den Mitteln des Nachlasses suchen. Alternativ konnte der Gläubiger-Miterbe jeden anderen Miterben entsprechend dem jeweiligen Anteil an der Forderung verklagen, entgegen § 2058 BGB damit eine teilschuldnerische Haftung.
Rz. 298
Diese Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben. Der Miterbe klage eben als Gläubiger und nicht als Miterbe. Daher müsse ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, sich mit der Gesamtschuldklage um die Begleichung seiner Forderungen zu bemühen. Er sei damit sonstigen Gläubigern gleichzustellen. Eine Benachteiligung gegenüber anderen Nachlassgläubigern lasse sich aus der Stellung als Miterbe nicht rechtfertigen. Eine Berücksichtigung seiner Position als Miterbe sei schließlich auch im Rahmen des eingeklagten Betrages möglich. Der auf seinen Erbteil entfallende Teil sei vom Betrag abzuziehen.
Rz. 299
Ob der Gläubiger-Miterbe aber vorrangig Befriedigung aus dem Nachlass suchen soll und ihm daher vor der Teilung die Gesamtschuldklage verwehrt ist, ist umstritten. Die wohl h.M. lehnt dies überzeugend ab: Vor der Teilung haften die Miterben in aller Regel ohnehin lediglich mit dem Anteil am Nachlass, § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB. Zudem klagt der Miterbennachlassgläubiger nicht als Miterbe, sondern als Gläubiger.
Rz. 300
Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit der Gesamtschuldklage vor Teilung des Nachlasses wird für Einzelfälle eine Einschränkung vorgenommen. Es ergeben sich Einschränkungen aus Treu und Glauben. Als Beispiel kann die erzwungene vorzeitige Veräußerung von Nachlassgegenständen mit Verlust genannt werden. Oder der Miterbennachlassgläubiger hat schon mehr aus dem Nachlass erhalten, als ihm bei der Auseinandersetzung zustehen würde, und dieser Mehrempfang deckt die Forderung.
2. Gesamthandsklage
Rz. 301
Die Erhebung der Gesamthandsklage wurde dem Gläubiger-Miterben auch schon vom Reichsgericht zugestanden. Da er sich aber nicht selbst verklagen kann, ist diese nur gegen die übrigen Miterben zu richten: Eine Vollstreckung ist nach § 747 ZPO trotz Fehlens eines Titels gegen einen der Miterben möglich.
Rz. 302
Bei der Gesamthandsklage sind Einschränkungen der Klagemöglichkeiten zu beachten. Begründet wird dies mit der Doppelstellung des Gläubiger-Miterben und der Verbundenheit der Erben in der Erbengemeinschaft. Danach ist auf die Teilung des Nachlasses zu warten, wenn es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, noch in den ungeteilten Nachlass zu klagen und zu vollstrecken.
Der Gläubiger-Miterbe muss die Höhe der Forderung nicht um den Betrag mindern, der seinem Erbteil daran entspricht. Es handelt sich dabei um eine Analogie zu den Vorschriften über die Gesamtschuld. Diese ist jedoch bei der Gesamthandsklage nicht notwendig. Besteht eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit und erhebt der Miterben-Gläubiger die Gesamthandsklage, so ist diese Forderung ausschließlich aus dem Sondervermögen zu begleichen. Schließlich ist dieser Gläubiger ja auch gleichzeitig Miterbe und mindert durch den Zugriff auf den Nachlass dessen Bestand, womit er sich indirekt selbst schädigt. Zudem greifen die Vorschriften der §§ 2046, 2047 BGB. Darüber hinaus kann in bestimmten Extremfällen dem klagenden Miterben auch die Arglisteinrede entgegenhalten werden.