Dr. Konrad Osthold, Désirée Goertz
1. Haftung als Gesamtschuldner
Rz. 75
Vor der Teilung des Nachlasses besteht die gesamtschuldnerische Haftung nach § 2058 BGB. Damit kann jeder Erbe einzeln als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, § 421 BGB. Gläubigern steht die Gesamtschuldklage offen (vgl. Rdn 240 ff.).
Rz. 76
Jeder Miterbe haftet dabei grundsätzlich mit seinem gesamten Eigenvermögen, wozu auch der jeweilige Anteil an der Erbengemeinschaft gehört. Die Haftung besteht für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten. Darüber hinaus besteht eine gesamtschuldnerische Haftung für Verbindlichkeiten aus demselben Rechtsgrund, bspw. § 840 BGB.
2. Haftung gem. § 2059 Abs. 2 BGB
Rz. 77
Bis zur Teilung des Nachlasses ist die Erbengemeinschaft Gesamthandsgemeinschaft. Die Stellung als Gesamthandsgemeinschaft beinhaltet, dass die Erben den Nachlass zusammen als Ganzes halten: Alles gehört allen gemeinschaftlich. Dies zeigt sich anhand der besonderen Verwaltungs- und Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 2032 ff. BGB. Insbesondere Verfügungen über Nachlassgegenstände sind grundsätzlich gem. § 2040 BGB nur gemeinschaftlich möglich. Die Erbengemeinschaft hält den Nachlass als Sondervermögen, eine Konfusion und Konsolidierung mit den Eigenvermögen der Erben tritt zunächst nicht ein.
Rz. 78
Den Zugriff auf das Sondervermögen Nachlass ermöglicht § 2059 Abs. 2 BGB. Hierzu sind alle Erben gemeinsam zu verklagen. Trotz der Bezeichnung dieser Klage als Gesamthandsklage ändert sich die Haftung der Erben nicht, es besteht auch dabei eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 2058 BGB (vgl. auch Rdn 247 ff.). Der Unterschied besteht im Klageziel: Die Gesamthandsklage richtet sich gegen den Nachlass selbst, die Gesamtschuldklage hingegen zielt auf das jeweilige Eigenvermögen der Erben.
3. Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten
Rz. 79
Zunächst gelten auch für Miterben die allgemeinen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten des Alleinerben, d.h. die Regelungen der §§ 1967–2017 BGB sind grundsätzlich anwendbar. Die Regelungen der §§ 2058 ff. BGB sind demgegenüber spezielle Regelungen und gehen den allgemeinen vor.
Rz. 80
Haftungsbeschränkungsmaßnahmen, die ein Miterbe ergreift, sind grundsätzlich ohne Wirkung für die anderen Miterben. Dies liegt an § 425 BGB. Etwas anderes gilt nach § 460 Abs. 1 S. 1 FamFG für das Aufgebotsverfahren, welches zwar eine haftungsbeschränkende Wirkung entfalten kann, jedoch kein haftungsbeschränkendes Mittel im eigentlichen Sinne ist (vgl. Rdn 91, 111, 158, 166). Dies kann von jedem Miterben beantragt werden und entfaltet Wirkung für alle. Gleiches gilt für die Errichtung eines Inventars durch einen Miterben, § 2063 Abs. 1 BGB.
a) § 2059 Abs. 1 BGB
Rz. 81
§ 2059 Abs. 1 BGB regelt die beschränkte Haftung speziell für die Mitglieder einer Erbengemeinschaft vor Teilung des Nachlasses. § 2059 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB betreffen unterschiedliche Situationen:
▪ |
S. 1 wendet sich an den beschränkt oder noch beschränkbar haftenden Erben |
▪ |
S. 2 an den unbeschränkt haftenden Erben. |
Rz. 82
§ 2059 Abs. 1 BGB verändert den in § 2058 BGB niedergelegten Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung nicht, sondern führt zu einer Begrenzung der betroffenen Vermögensmasse.
aa) § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 83
Nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB hat jeder Erbe die Möglichkeit, die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten aus seinem Eigenvermögen zu verweigern, soweit es sich nicht um seinen Anteil an der Erbengemeinschaft handelt. Eine endgültige Haftungsbeschränkung kann hierdurch nicht erzielt werden. Da die Berufung auf § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB nur bis zum Zeitpunkt der Teilung des Nachlasses möglich ist, handelt es sich um eine aufschiebende Einrede. Als Einrede wird sie nicht von Amts wegen geprüft, der Erbe muss sie erheben. Im Urteil ist dann ein Vorbehalt gem. § 780 ZPO aufzunehmen. Der Vorbehalt ist dann erst im Verfahren der Zwangsvollstreckung zu beachten, wo sich der Schuldner ggf. mit der Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 781, 784 Abs. 1, 785, 767 ZPO zur Wehr setzen muss. Die Einrede verhindert nicht den Eintritt des Verzugs.
Rz. 84
Vor der Teilung des Nachlasses ist die Aufrechnung eines Nachlassgläubigers gegen eine private Forderung eines Miterben gegen den Nachlassgläubiger nach § 390 BGB ausgeschlossen.
Rz. 85
Die Gewährung der Haftungsbeschränkung nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB gleicht aus, dass der einzelne Miterbe in dieser Situation anderenfalls mit seinem Privatvermögen für Nachlassverbindlichkeiten haften würde, deren Erfüllung ihm aus dem Nachlass wegen §§ 2038, 2040 BGB nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass allein der einzelne Miterbe nicht berechtigt ist, die Nachlassverwaltung nach § 1981 BGB allein zu beantragen, § 2062 BGB. Könnte der Gläubiger bereits dann ohne Beschränkung auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen, wäre der Gläubiger unverhältnismäßig stark begünstigt. Ann bemerkt hier zutreffend, dass anderenfalls die vom Gesetzgeber beabsichtigte Haftungsbeschränkungsmöglichkeit der E...