Rz. 10
In der Literatur wurde zunächst (allerdings noch vor den grundlegenden Entscheidungen des BVerfG) darum gestritten, ob es außerhalb des KSchG einen allgemeinen Schutz vor willkürlichen Kündigungen gebe. Diese Frage wurde häufig verbunden mit der Konkretisierung von Fallgestaltungen sittenwidriger oder treuwidriger Kündigungen, die bereits gegen §§ 138, 242 BGB verstoßen.
Rz. 11
In diesem Rahmen wurde einerseits vertreten, dass es außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG keinen Kündigungsschutz vor grundlosen Kündigungen gebe. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Kündigungsschutz auf die dem KSchG unterworfenen Personen zu beschränken, sei insoweit zu akzeptieren. Andererseits seien die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Sozialauswahl im Anwendungsbereich des Einigungsvertrages als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens anwendbar. Der Arbeitgeber habe auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 3 KSchG bei seiner Auswahlentscheidung die wenn auch weiten Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der Arbeitgeber müsse einseitige, einzelne Arbeitnehmer treffende Kündigungsentscheidungen nach vernünftigen, sachlichen Gesichtspunkten treffen und die Grundsätze billigen Ermessens wahren.
Rz. 12
An anderer Stelle wird dagegen vertreten, dass jede Kündigung grundsätzlich an sachliche Motive zu binden sei. Wenn die grundrechtlichen Schutzpflichten im Rahmen der ordentlichen Kündigung überhaupt einen sinnvollen Anwendungsbereich finden sollten, dann müssten die grundrechtsgeleiteten Interpretationen der zivilrechtlichen Generalklauseln sicherstellen, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nicht ohne sachbezogene und anerkennenswerte Gründe gegen seinen Willen verlieren dürfe. Insbesondere Oetker schließt daraus, dass jede Kündigung außerhalb des KSchG als Ausfluss des § 242 BGB darauf geprüft werden muss, ob sachliche Gründe für sie vorliegen. Als Maßstab für die Sachbezogenheit legt Oetker die Maßstäbe des KSchG zugrunde. Hiernach muss sich der Arbeitgeber für jede Kündigung auch außerhalb des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches des KSchG auf eine soziale Rechtfertigung stützen. Solche können alle Gründe sein, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder bei denen es sich um betriebliche Gründe handelt.
Rz. 13
Allen in der neueren Literatur vertretenen Ansichten ist gemein, dass sie die Rechtfertigung des Schutzniveaus nicht etwa auf eine "unmittelbare Drittwirkung" der Grundrechte stützen. Entsprechend der neueren Grundrechtsdogmatik kann sich ein grundrechtlich legitimierter Schutz ausschließlich auf die Generalklauseln des Zivilrechtes stützen, in die die Wertungen des GG einfließen.
Rz. 14
In der neueren Literatur wird demgemäß die Lösung für den Kündigungsschutz außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG in einer Auslegung des § 242 BGB gesucht. Die §§ 138, 612a BGB, die konkretes sittenwidriges Verhalten sanktionierten, reichten nicht aus, um den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz zu sichern. Diese Normen erfassten nämlich nur außergewöhnliche Fälle der Sittenwidrigkeit. Andererseits sei die gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren, wonach ein mit dem KSchG vergleichbarer Kündigungsschutz außerhalb des Anwendungsbereiches des Gesetzes gerade nicht gewährleistet werden solle. Außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG sei der Arbeitnehmer folglich über § 242 BGB lediglich im Rahmen einer Missbrauchskontrolle vor Kündigungen geschützt, beispielsweise vor Kündigungen, deren Grund in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht. Hat der Arbeitgeber Auswahlentscheidungen zu treffen, so habe er ein gewisses Grundmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren, soweit nicht sachliche Gründe dagegen stünden.