Rz. 22
Für den die Kündigung beratenden Rechtsanwalt ist zunächst festzuhalten, dass Kündigungen außerhalb des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches des KSchG nicht der Systematik des KSchG unterworfen sind. Dies bedeutet insbesondere, dass Kündigungen, die an Verhaltensweisen des Arbeitnehmers oder Umstände in der Person des Arbeitnehmers anknüpfen, keiner der Systematik des § 1 KSchG entsprechenden Anforderungen bedürfen. Insbesondere bedarf eine Kündigung, die an das Verhalten des Arbeitnehmers anknüpft, keiner Abmahnung. Unbeeinträchtigt hiervon bleibt das Erfordernis der Rechtsprechung, Arbeitnehmer im Falle einer Verdachtskündigung anzuhören.
Rz. 23
Nach der Rechtsprechung des BAG folgt ganz allgemein aus der Anwendung der Generalklausel des § 242 BGB kein Sachgrunderfordernis außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG. § 242 BGB schützt als Einfallstor der grundrechtlichen Grundwertungen nur vor evident sachwidrigen Kündigungen. Kündigungen, die diesen Maßstab erfüllen, werden in aller Regel bereits nach § 138 BGB nichtig sein. Das Vorhandensein eines wie auch immer gearteten sachlichen Grunds, der ein Kündigungsinteresse an einem konkreten Beschäftigten begründet, hindert aber die Hürde des "sozialen Mindestschutzes" und sollte daher im Zweifel auch offen kommuniziert werden.
Rz. 24
Der Arbeitgeber ist, da er keines Sachgrundes zum Ausspruch der Kündigung bedarf, auch nicht verpflichtet, einen Kündigungsgrund anzugeben. Auch der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor privater Disposition erfordert es nicht, die Angabe des Kündigungsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung zu erheben. Ein falsch angegebener Kündigungsgrund führt nicht in den Anwendungsbereich des KSchG. Im Rahmen der Betriebsratsanhörung müssen folglich auch keine Sozialdaten mitgeteilt werden, es sei denn, die Kündigung würde in den Anwendungsbereich des erforderlichen sozialen Mindestschutzes fallen.
Rz. 25
Kündigt der Arbeitgeber aus Gründen, die an die betriebliche Situation anknüpfen, liegt kein spezifisches Interesse an der Kündigung eines konkreten Beschäftigten vor, und hat er gleichzeitig eine Auswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern zu treffen, muss diese Auswahl einem "gewissen Maß an sozialer Rücksichtnahme" genügen. Jedoch fließt über dieses Einfallstor nicht etwa die allgemeine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ein. Vielmehr schützt auch dieser Maßstab nur vor evident willkürlicher Auswahl. Der Arbeitgeber ist insbesondere also nicht verpflichtet, die vorhandenen Arbeitnehmer nach einem Punktesystem zu erfassen oder einen Kriterienkatalog aufzustellen. Lediglich ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Grundmaß an sozialer Rücksichtnahme walten zu lassen. Erfasst werden hier insbesondere Fälle, denen die Unsachlichkeit "auf die Stirn geschrieben" steht. Nach der Rechtsprechung des BAG ist insbesondere das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung zu berücksichtigen. Je stärker der Arbeitgeber ein eigenes Interesse daran darlegen kann, gerade diesem Arbeitnehmer zu kündigen, umso weniger weit reicht der Vergleich zu § 1 Abs. 3 KSchG.
Rz. 26
Dafür, dass die Kündigung auf evident sachwidrigen Gründen beruht, ist der Arbeitnehmer beweisbelastet. Anders als bei der Frage des Sachgrundes regelt sich die Beweislast zur sozialen Auswahl nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitnehmer, darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die Regel des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des KSchG nicht. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers auch im Prozessrecht ist jedoch dadurch gewährleistet, dass auch insoweit die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten.
Rz. 27
Praxishinweis
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich zur Begründung der Kündigung zu äußern.
Die Klage gegen eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG unterliegt allerdings gleichwohl der dreiwöchigen Klagefrist, §§ 13, 4 KSchG.
Der den Arbeitnehmer vertretende Rechtsanwalt wird zu beachten haben, dass das übliche Muster für Kündigungsschutzklagen nicht ausreichend ist, da das Bestreiten des Vorliegens von die Kündigung sozial rechtfertigenden Tatsachen nicht ausreicht, die Rechtswidrigkeit der Kündigung zu begründen und somit den Vortrag schlüssig zu machen.
Der den Arbeitgeber vertretende Rechtsanwalt sollte stets den mangelnden Vortrag der Gegenseite ausdrücklich rügen und auf die Unterschiede zur Kündigung im Rahmen des KSchG hinweisen. Im Übrigen kommt es darauf an, sachnahe Argumente für die Kündigung anzuführen. Hierbei gelten letztlich ähnliche Grundsätze wie hinsichtlich der Betriebsratsanhörung innerhalb der Probezeit: Führt der Arbeitgeber annähernd (z.B. durch vorherige Personalgespräche oder eine Abmahnung) objektivierbare subjektive Eindrücke beispi...