Rz. 33
Sind alle tatsächlichen Umstände – gem. § 286 ZPO – festgestellt worden, die Schadensbeiträge des haftpflichtigen Rechtsanwalts oder Steuerberaters und des geschädigten Auftraggebers begründen können, so ist – gem. § 287 ZPO – zu beurteilen, in wieweit das schadensstiftende Verhalten des Rechtsberaters und das mitwirkende – schadensursächliche und zurechenbare – Mitverschulden des Mandanten zu dessen Schaden beigetragen haben (vgl. Rdn 10). Da bei der Abwägung darauf abzustellen ist, ob das Verhalten des Schädigers (Rechtsanwalts oder Steuerberaters) oder des Geschädigten (Mandanten) den Schadenseintritt in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. Rdn 10), hat i.d.R. ein Berater, der seinen Auftraggeber im Rahmen eines Beratungsvertrages geschädigt hat, ggü. dem Mandanten, der ein schadensursächliches Mitverschulden zu verantworten hat, den wesentlich größeren Beitrag zu dem (Beratungs-)Schaden des Auftraggebers geleistet. Dementsprechend hat der BGH den Berater in einem solchen Falle mit 3/5des Schadens belastet.
Im Ergebnis kann die Abwägung aber auch dazu führen, dass der Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten voll erhalten bleibt, weil dessen Mitverschulden ggü. dem Schadensbeitrag des Schädigers unerheblich ist, oder dass der Geschädigte seinen Ersatzanspruch wegen seines Mitverschuldens teilweise oder vollständig verliert, je nachdem, welches Gewicht das Mitverschulden ggü. dem Schadensanteil des Schädigers hat. Das Ausmaß des beiderseitigen Verschuldens ist insb. dann zu beachten, wenn unterschiedliche Verschuldensgrade vorliegen. Handelt der Berater vorsätzlich, so wird er bei nur fahrlässigem Mitverschulden des geschädigten Mandanten dessen Schaden vielfach allein zu tragen haben, es sei denn, dass besondere Umstände im Einzelfall Anlass zu einer abweichenden Wertung geben und eine Schadensteilung rechtfertigen. Dem letztgenannten Ausnahmebereich liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vorsatz des Schädigers nicht schlechthin zum Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten werden darf. Gleiche Gesichtspunkte gelten, wenn der verletzte Mandant selbst den Schaden vorsätzlich mitverursachte. Dies kommt insb. in Betracht, wenn der Anwalt oder Steuerberater als Aushängeschild für illegitime Machenschaften des Mandanten benutzt wird. Der Grundsatz, dass regelmäßig ein nur fahrlässiges Verhalten hinter einem vorsätzlichen Verhalten zurücktritt, gilt aber dann nicht, wenn ein Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB die vorsätzliche Schädigung verübt hat. Maßgeblich hierfür ist, dass einem nach § 278 BGB ebenso wie einem nach § 831 BGB haftenden Geschäftsherrn bei Arglist seines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen nicht angelastet werden kann, selbst arglistig gehandelt zu haben. Für die Beraterhaftung sind diese Erwägungen insb. dann von Bedeutung, wenn sich der Mandant das Fehlverhalten eines Zweitberaters zurechnen lassen muss.
Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades im Rahmen einer fehlerhaften Abschlussprüfung kann insb. die Schwere der dem Prüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung von Bedeutung sein. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen erheblich abweicht. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss bescheinigt, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier spricht viel dafür, von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden. Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich vorzuwerfen ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er in erster Linie die Verantwortung dafür, dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrunde zu legen.