Rz. 253
Im Ausgangspunkt ist zu bedenken, dass der Nachlasspfleger – im Rahmen der ihm nach der Bestellungsurkunde zugewiesenen Aufgabe der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses – nach heute herrschender Meinung nicht Partei kraft Amtes ist und auch nicht Vertreter des Nachlasses als eines Sondervermögens, sondern vielmehr Vertreter der unbekannten Erben. Die Nachlasspflegschaft ist keine Vermögenspflegschaft, sondern ein besonderer Fall der Personenpflegschaft für unbekannte Beteiligte i.S.d. § 1882 BGB. Das ergibt sich aus der Formulierung in § 1960 Abs. 2 BGB, wonach das Nachlassgericht für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger bestellen kann.
Rz. 254
Der vom Nachlasspfleger vertretene unbekannte Erbe steht einer nach § 53 ZPO nicht prozessfähigen Partei gleich. Von daher versteht sich auch die Regelung in § 1958 BGB, wonach ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, vor der Annahme der Erbschaft nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden kann. Zu dieser Norm ist heute herrschende Meinung, dass dem unbekannten Erben nicht die Passivlegitimation fehlt, sondern nur die Prozessführungsbefugnis. Dann aber ist die Regelung in § 1960 Abs. 3 BGB – wonach § 1958 BGB auf den Nachlasspfleger keine Anwendung findet – dahin zu verstehen, dass der unbekannte Erbe schon vor Annahme der Erbschaft verklagt werden kann, wenn er durch einen Nachlasspfleger vertreten wird.
Rz. 255
Im Falle des Aktivprozesses eines Nachlasspflegers schließt die Stellung des Nachlasspflegers als des gesetzlichen Vertreters der unbekannten Erben jedoch nicht aus, dass der Pfleger persönlich die Rolle einer Prozesspartei wahrnimmt und als Kläger zum Nachlass gehörige Rechte einklagt. Kommt die in Anspruch genommene Gegenpartei selbst als Erbe in Betracht, ist ein solches Vorgehen zur Vermeidung eines unzulässigen In-sich-Prozesses sogar prozessual geboten. Ein Nachlasspfleger kann zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses von jedem, der Nachlassgegenstände in Besitz hat, deren Herausgabe verlangen. Dafür stehen ihm prozessual grundsätzlich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Er kann in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Erben deren Herausgabeansprüche geltend machen. Er kann aber auch persönlich die Rolle der Prozesspartei wahrnehmen und als Kläger zum Nachlass gehörige Rechte einklagen. Diese Berechtigung leitet sich nicht von den Erben ab, sondern folgt unmittelbar aus der Stellung als Nachlasspfleger, weil er sonst die ihm übertragenen Aufgaben (Sicherung und Erhaltung des Nachlasses) nicht durchweg erfüllen kann. Bei einer Klageerhebung in Vertretung der noch unbekannten Erben lässt sich die Gefahr eines unzulässigen In-sich-Prozesses nicht immer ausschließen, weil es sich bei den verklagten Personen um Miterben handeln kann. Deswegen wird ein auf Sicherheit bedachter Nachlasspfleger auf seine Berechtigung zur Prozessführung im eigenen Namen zurückgreifen, um seine Aufgabe der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses zu erfüllen. Zur Erfüllung der ihm gegebenen Aufgaben und vor diesem Hintergrund kann der Nachlasspfleger in einem solchen Fall dann doch jedenfalls ähnlich einer Partei kraft Amtes Aktivprozesse führen.
Rz. 256
Entsprechendes gilt aber nicht auch für Passivprozesse des Nachlasspflegers, bei denen eine ursprünglich gegen den Erblasser begründete Forderung eingeklagt wird. Passivlegitimiert für diesen Anspruch sind vielmehr nur die unbekannten Erben vertreten durch den Nachlasspfleger. Vor diesem Hintergrund wird heute zutreffend überwiegend vertreten, dass die Klage eines Nachlassgläubigers im Falle der Anordnung einer Nachlasspflegschaft gegen die unbekannten Erben vertreten durch den Nachlasspfleger zu richten und der Nachlasspfleger selbst nicht passiv legitimiert ist. Bei fehlerhafter Parteibezeichnung kann es sich um eine Klageänderung im Sinne eines Parteiwechsels handeln; u.U. kommt eine Rubrumsberichtigung in Betracht