Vicki Irene Commer, Andre Naumann
Rz. 223
Zu hinterfragen ist, ob die in Rede stehende Rechnung des Arztes/Krankenhauses ausgeglichen wurde und welche Einwendungen bereits seitens des Versicherers erhoben wurden bzw. erhoben werden können.
Rz. 224
Voraussetzung eines Aufwendungsersatzanspruches ist ein wirksamer und fälliger Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes/Krankenhauses gegen den Patienten (= Versicherten). Fehlt es an einem solchen Vergütungsanspruch, braucht der Versicherer Aufwendungen für die ärztlichen Leistungen nicht zu erstatten.
Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Arzt diese nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) bzw. GOZ (Gebührenordnung für Zahnärzte) nicht verlangen kann.
Hinweis
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 GOÄ bzw. GOZ kann ein Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.
Rz. 225
Die ärztlichen Gebührenordnungen stellen ein für alle Ärzte verbindliches zwingendes Preisrecht dar, das verfassungsrechtlich unbedenklich ist und weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, noch die Berufsfreiheit der Ärzte verletzt. Soweit der Arzt über das medizinisch Notwendige hinaus Leistungen erbringt, ist er aufgrund des mit dem Patienten bestehenden Vertrages als Nebenleistung verpflichtet, ihn darauf hinzuweisen, dass er die Kosten unter Umständen selbst zu tragen hat. Die GOÄ bzw. GOZ sieht bei Verlangensleistungen ausdrücklich eine Hinweispflicht vor.
Rz. 226
Den Behandler trifft neben der Dokumentationspflicht auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht.
Inzwischen wurden Regelungen zum medizinischen Behandlungsvertrag mit den § 630a–§ 630h in das BGB eingeführt. Nachdem Aufwendungsersatzansprüche nur entstehen können, wenn ein wirksamer Beratungsvertrag zustande kommt, haben diese Regelungen unmittelbar auch Einfluss auf die private Krankenversicherung. Insbesondere ergibt sich aus § 630c Abs. 3 S. 1 BGB eine Pflicht zur Information über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform vor Behandlungsbeginn, wenn der Behandelnde weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben.
Allerdings zielt diese Informationspflicht nicht auf eine umfassende Aufklärung des Patienten über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung ab. Grundsätzlich liegt die Kenntnis vom Umfang des Versicherungsschutzes im Verantwortungsbereich des Patienten. Ein Arzt, der allerdings eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet, muss in Erwägung ziehen, dass der private Krankenversicherer die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstattet. Insbesondere muss jedoch der Patient darlegen und beweisen, dass er im Falle der notwendigen Information die Behandlung nicht vorgenommen hätte.
Rz. 227
Steht dem Versicherungsnehmer gegen den Arzt ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus § 280 BGB zu, der auf Befreiung von der Honorarforderung gerichtet ist, so ist der Krankheitskostenversicherer zu einem Ersatz der Honorarforderung nicht verpflichtet. Der Aufwendungsersatzanspruch gegen den Versicherer scheitert auch dann, wenn die Abrechnung des Arztes/Zahnarztes nicht der GOÄ/GOZ entspricht. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegende Behandlung nicht medizinisch notwendig war.
Praxistipp
In allen Fällen, in denen Zweifel an der gebührenrechtlichen Abrechnung und der Erbringung einer medizinisch notwendigen Behandlung zumindest im Raum stehen, sollte in prozessrechtlicher Hinsicht überlegt werden, gegen wen Ansprüche überhaupt geltend gemacht werden sollen und ob im gerichtlichen Verfahren eine Streitverkündung empfehlenswert ist.
Rz. 228
Geht es um Ansprüche, denen die Behandlung lediglich eines Versicherten zugrunde liegt, bietet sich die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers gegen die Krankenkostenversicherung an, da die Streitverkündung ohnehin an den unterschiedlichen Prozessparteien scheitert, der behandelte Versicherte jedoch falls notwendig als Zeuge eingesetzt werden kann.
Rz. 229
Wenn der Patient zugleich Versicherungsnehmer ist, stehen zwei alternative Vorgehensweisen zur Debatte:
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Klärung der Einwendungen im Gebührenprozess zwischen Patient (= Versicherungsnehmer) und Behandler mit Streitverkündung gegenüber dem Krankheitskostenversicherer; |
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Klärung der Einwendungen im Rahmen der Zahlungsklage des Versicherungsnehmers (= Patient) gegen den Krankheitskostenversicherer mit Streitverkündung gegenüber dem Behandler. |
Rz. 230
Die Streitverkündung schützt den Mandanten zum einen vor unterschiedlichen Beweisergebnissen bei Einholung von Gutachten oder Fragen zur medizinischen Notwendigkeit und gebührenrechtlichen Abrechnung und zum anderen sichert diese in den meisten Fällen die umfassende Unterstützung des Streithelfers und gleicht das oft gegenüber dem Gegner vorhandene Wissensdefizit des Versicherungsnehmers aus. In der Regel können die relevanten ...