Vicki Irene Commer, Andre Naumann
Rz. 64
Die vertragliche Absicherung besteht nur für den Eintritt bestimmter Ereignisse. Die VB-Reiserücktritt sehen versicherte acht Ereignisse vor. Eins davon muss der versicherten Person oder einer Risikoperson zugestoßen sein und eine kausale Auswirkung auf die vorgesehene Reiseplanung entfalten. Der (rechtzeitige) Reiseantritt muss für die versicherte Person unzumutbar geworden sein und damit die Stornierung oder den verspäteten Reiseantritt rechtfertigen. Daraus ergibt sich, dass ein "folgenloser" Eintritt eines versicherten Ereignisses nicht genügt.
Rz. 65
Hinweis
Die Ereignisse sind auch bei möglichen Ausschlussgründen wichtig. War ein versichertes Ereignis voraussehbar, dann greift möglicherweise der Ausschluss (vgl. Rdn 95 ff.).
Rz. 66
Tod – Ziff. 2.1, 1. Spiegelstrich VB-Reiserücktritt:
Als versichertes Ereignis gilt der Tod der versicherten Person oder einer Risikoperson. Verstirbt eine versicherte Person, so spricht der erste Anschein dafür, dass für die weiteren mitreisenden Personen von einer Unzumutbarkeit der Teilnahme an der Reise auszugehen ist.
Für den Versicherungsschutz einer versicherten Person ist es grundsätzlich ohne Belang, wenn die verstorbene Risikoperson einen Suizid begangen hat. Beim Tod einer Risikoperson muss der Versicherte darlegen und beweisen, dass die (rechtzeitige) Durchführung der Reise dadurch für ihn unzumutbar war. Für die Annahme einer Unzumutbarkeit reicht die Teilnahme an der Beerdigung.
Rz. 67
Schwere Unfallverletzung – Ziff. 2.1, 2. Spiegelstrich VB-Reiserücktritt:
Als versichertes Ereignis gilt ferner eine schwere Unfallverletzung. Strittig ist der Begriff des Unfalls i.S.d. VB-Reiserücktritt. Teilweise wird angenommen, er sei identisch mit dem in der Unfallversicherung (Ziff. 1.3 AUB, § 178 VVG). Dem wird mangels Definition in den VB-Reiserücktritt und wegen der fehlenden Verbindung zur Unfallversicherung widersprochen. Mangels konkreter Angaben in den Bedingungen wird man auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne Spezialkenntnisse abstellen müssen. Der Versicherte wird nicht an konkret umrissene Ereignisse denken, sondern vielmehr an die schwere Unfallverletzung. Also eine aus einem Geschehen heraus entstandene Verletzung, die eine Reise unzumutbar macht. Das Geschehen wird man weit fassen müssen. Ein Unfall im Sinne der AUB kommt auf jeden Fall grundsätzlich immer als mögliches Ereignis in Betracht, die Sichtweise ist aber nicht auf das Verständnis der AUB reduziert.
Dabei kommt es nicht auf die Schwere des Unfallereignisses an, sondern auf die Folge, die Gesundheitsschädigung. Diese muss so gravierend sein, dass dem Versicherten nicht oder zumindest nicht rechtzeitig möglich ist, die gebuchte Reise anzutreten. Vermag der Versicherte die Hauptreiseleistung nicht in Anspruch zu nehmen, handelt es sich um eine schwere Unfallverletzung. Es reicht nicht aus, wenn nur eine Nebenleistung unmöglich wird.
Rz. 68
Unerwartet schwere Erkrankung – Ziff. 2.1, 3. Spiegelstrich VB-Reiserücktritt:
Die VB-Reiserücktrittskosten enthalten als Anlage eine Erläuterung zum Verständnis einer unerwartet schweren Erkrankung.
Die Erläuterungen beschreiben drei Fälle:
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Fall 1: Jedes erstmalige Auftreten einer Erkrankung nach Abschluss der Versicherung und nach Reisebuchung gilt als unerwartet. |
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Fall 2: Versichert ist ebenfalls das erneute Auftreten einer Erkrankung, wenn in den letzten … Monaten vor Versicherungsabschluss oder bei bestehendem Versicherungsvertrag vor Buchung der Reise für diese Erkrankung keine Behandlung durchgeführt worden ist. |
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Fall 3: Sofern in den letzten … Jahr(en) vor Versicherungsabschluss oder bei bestehendem Versicherungsvertrag vor Buchung der Reise für eine bestehende Erkrankung keine Behandlung durchgeführt worden ist, ist ebenfalls die unerwartete Verschlechterung dieser Erkrankung versichert. |
Mit diesen Erläuterungen greift der Bedingungsgeber die Rechtspraxis auf und versucht diese dem VN verständlich darzustellen.
Eine Erkrankung liegt vor, wenn bei dem Versicherten aus einem Zustand des Wohlbefindens heraus Krankheitssymptome auftreten, die der Nutzung der gebuchten Hauptreiseleistung in diesem gesundheitlichen Befinden entgegenstehen. Schwer ist die Erkrankung, wenn der Antritt der Reise bei objektiver Betrachtungsweise nicht zumutbar ist. Der Verdacht auf eine Krankheit reicht nicht aus, umgekehrt darf man annehmen, dass Krankheiten, die keiner ärztlichen Behandlung bedürfen, keine schweren Erkrankungen sind.
Unerwartet ist eine Erkrankung, die für die versicherte Person nicht voraussehbar war. Der BGH hält die Einschränkung des Versicherungsschutzes auf unerwartete Erkrankungen für wirksam, da es für die Frage des Unerwarteten auf die Person des Versicherungsnehmers ankommt. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung.
Rz. 69
Hinweis
Eine Infektion mit Covid-19 kann zu einer unerwartet schweren Erkrankung führen.
Zu bedenken ist dabei der "Pandemie-Ausschluss" nach Zi...