Rz. 10

Die Betroffene hatte eine Aufstellung der Ordnungswidrigkeiten beigefügt, aus der sich lediglich 7 Punkte ergaben. Das hielt das VG aber für unschädlich weil der inhaltliche Mangel nicht zur Aufhebung der rechtlich gebundenen Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung beim tatsächlichen Erreichen von 8 oder mehr Punkten im Fahreignungsregister führt.

Bei der Frage, ob die gesetzliche Reduktion wegen nicht durchlaufender Maßnahmestufe vorliegen, hielt das VG die bereits auf den entsprechenden Stufen des alten Punktebewertungssystems (bei 8 bis 13 Punkten bzw. 14 bis 17 Punkten) ordnungsgemäß ergriffenen Maßnahmen für ausreichend, weshalb nicht erneut beim Erreichen des Punktestandes von 6 und 7 Punkten verwarnt werden musste.

Das VG führt dann weiter aus:

Zitat

"Durch die spätere Tilgung von 3 Punkten am 20.5.2014, die nach dem Tattagprinzip nicht zu berücksichtigen ist, war lediglich gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 6 StVG die nach der Tabelle vorzunehmende Einordnung im Fahreignungs-Bewertungssystem zu aktualisieren, was aber entsprechend § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führen kann. "

Selbst wenn man dies anders sehen wollte und eine Verwarnung der Antragstellerin nach Umstellung auf das Fahreignungsregister und Erhöhung des Punktestandes von 4 auf 6 bzw. 7 Punkte für erforderlich hielte, könnte das im vorliegenden Eilverfahren nicht zum Erfolg führen. In diesem Fall wäre der Punktestand mit Ausstellen der Verwarnung auf 7 Punkte zu reduzieren. Dieser würde sich indessen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG im derzeitigen Erkenntnisstand um die neu hinzutretenden zwei Punkte aus den Ordnungswidrigkeiten der Antragstellerin vom 16.12.2014 und vom 6.1.2015 auf dann insgesamt 9 Punkte erhöhen. Diese wären nämlich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Maßnahme der Verwarnung nach ihrer Begehung ergriffen worden ist. Mit der Neufassung des § 4 StVG ist der Gesetzgeber vom Erziehungsgedanken des früheren Punktebewertungssystems abgerückt.“

Es kommt damit nach Auffassung des VG nicht mehr darauf an, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Demnach sind auch die Verkehrsverstöße mit Punkten zu bewerten und zu berücksichtigen, die vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen worden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind. Das bedeutet, dass nurmehr von Seiten der Behörden eine reine Punktebetrachtung zugrunde gelegt werden muss. Ob das allerdings im Sinne des Gesetzgebers ist, dessen Drängen nach einer Verhaltensänderung ja gerade die Reduktion der Punkte rechtlich ermöglicht, muss bezweifelt werden. Insbesondere das vom Gesetzgeber wiederholt in den Motiven zum Ausdruck gebrachte Transparenzgebot ist hier nicht mehr berücksichtigt, geschweige denn dass der Bürger vorhersehbar weiß, welche Maßnahmen ihn erwarten. So würde ein jeder eine Erziehungsmaßregel für sinnlos erachten, wenn dem Kind die Möglichkeit der Verhaltensänderung verwehrt wird aufgrund früheren Verhaltens. Es bleibt zu hoffen, dass die Obergerichte hier an das Rechtsstaatsgebot erinnern und der Gesetzgeber insoweit Position beziehen wird.

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