Rz. 41
Mit dem so gewährten Stimmrecht können Gläubiger im Verfahren mit über den weiteren Werdegang des Verfahrens entscheiden. Das Insolvenzverfahren ist gläubigerautonom – die Gläubiger stellen die Herren des Verfahrens dar. Der Insolvenzverwalter hat wichtige Entscheidungen in der Gläubigerversammlung zu debattieren und ist – gem. §§ 160, 64 InsO allerdings nur im Innenverhältnis – an das Votum der Gläubiger gebunden. Trifft die Gläubigerversammlung mehrheitlich eine Entscheidung, so ist diese bindend, also nicht i.R.d. § 34 InsO anfechtbar. Die so durch die Gläubigerversammlung getroffenen Entscheidungen sind dann ebenfalls bindend für die Gesamtgemeinschaft der Gläubiger, also unabhängig davon, ob mitgestimmt wurde.
Rz. 42
Die Gläubigerversammlung entscheidet mit einfacher Summenmehrheit (Ausnahme: Wahl des Verwalters, hier bedarf es einer Kopf- und Summenmehrheit). Lediglich i.R.d. § 78 InsO kann noch eine Aufhebung der Beschlüsse erfolgen. Widerspricht ein mehrheitlich getroffener Beschluss der Gläubigerversammlung dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, so hat das Insolvenzgericht den Beschluss aufzuheben, wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger, ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter dies in der Gläubigerversammlung beantragt, § 78 InsO. Ein solches Procedere wird nur auf Antrag, der zwingend in der Gläubigerversammlung gestellt werden muss, eingeleitet. Ein solcher Antrag kommt praktisch "nie" vor und ist zudem wenig bekannt.
Rz. 43
Antragsberechtigt ist der Insolvenzverwalter, dessen Antragsrecht aus der Interessenvertretung evtl. nicht anwesender Gläubiger und deren Rechtswahrung hergeleitet wird. Im Umkehrschluss besteht für den Verwalter dann kein solches Antragsrecht, wenn alle Insolvenzgläubiger eines Verfahrens anwesend sind. Weiter antragsberechtigt sind die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger (alle, d.h. unabhängig davon, ob deren Forderung geprüft/ungeprüft, festgestellt oder bestritten ist oder Stimmrecht versagt wurde). Nicht antragsberechtigt sind hingegen nachrangige Insolvenzgläubiger, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, soweit sie nicht gleichzeitig Insolvenzgläubiger sind, reine Aussonderungsberechtigte, der Schuldner sowie evtl. Massegläubiger. Ein solcher Antrag ist zwingend noch in derselben Versammlung zu stellen und nur zulässig, wenn ein Rechtschutzbedürfnis gegeben ist, also bspw. dann, wenn der Antragsteller im Abstimmungsverfahren über den Beschlussgegenstand überstimmt worden ist oder mangels Stimmrecht an der Beschlussfassung nicht beteiligt war und der getroffene Beschluss im Widerspruch zu den gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger, z.B. gegen die bestmögliche Befriedigung aller, steht. Für die Wahl des Insolvenzverwalters besteht die Möglichkeit nach § 78 InsO nicht.
Rz. 44
Ist die Gläubigerversammlung nicht beschlussfähig, entweder weil bspw. kein Gläubiger anwesend ist, weil kein Stimmrecht gewährt wurde oder weil lediglich Enthaltungen bei der Abstimmung erfolgten, so können die nach der Tagesordnung zu treffenden Entscheidungen nicht getroffen werden. Eine "Ersetzung" durch das Gericht erfolgt nicht. Allerdings kann – bei besonders bedeutsamen Abstimmungspunkten – die Zustimmungsfiktion des § 160 Abs. 1 S. 3 InsO eintreten. In allen anderen Punkten trifft ansonsten der Insolvenzverwalter die Entscheidungen nach seinem eigenen Ermessen.
Rz. 45
Stimmrechtsausschlüsse und Stimmrechtsverbote sind stets bei Abstimmungen denkbar und erfordern ein hohes Maß an Darlegung. So könnten Fälle von taktischer Einflussnahme im Einzelfall zu einem Stimmrechtsausschluss führen, der dann aber durch den Rechtspfleger mittels begründetem Beschluss darzulegen ist. Stimmrechtsverbote einzelner Gläubiger sind bei Interessenkollision – wie etwa Abstimmung in eigener Sache – denkbar.
Rz. 46
Ist ein Beschluss der Gläubigerversammlung korrekt zustande gekommen, so entfaltet er für den Verwalter bindende Wirkung. Allerdings steht dem Verwalter auf der Gegenseite bei seinem Handeln regelmäßig ein weiter Ermessensspielraum zu. Danach handelt der Verwalter zunächst einmal "eigenverantwortlich". In Konsequenz bleiben nach § 164 InsO Handlungen, die der Verwalter entgegen der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung vornimmt, im Außenverhältnis wirksam. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung binden den Verwalter daher nur im Innenverhältnis. Gleichwohl kann sich der Verwalter bei Abweichen von einer Beschlussfassung schadensersatzpflichtig machen. Auch kann das Gericht ggf. im Wege der Aufsicht einschreiten.