Rz. 47
Nach § 299 Abs. 1 ZPO können die Parteien die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Dabei besteht kein Zweifel, dass § 299 ZPO auch im Insolvenzverfahren über § 4 InsO entsprechend anzuwenden ist. Gläubiger werden mit der Eröffnung des Verfahrens kraft Gesetzes in das Verfahren einbezogen und sind somit als Partei i.S.d. § 299 Abs. 1 ZPO anzugehen. Allerdings findet im Insolvenzverfahren regelmäßig keine Versendung der Akten statt.
Rz. 48
Grundsätzlich sind Insolvenzakten stets präsent bei Gericht zu halten, denn "allen" Verfahrensbeteiligten ist immer das Recht zu Einsicht gegeben, sodass im laufenden Verfahren eine Übersendung regelmäßig unterbleibt, um die Akten auch "vor Ort" zu haben und eine dauerhafte "Einsichtnahme" ermöglichen zu können. In aller Regel erfolgt Akteneinsicht der Beteiligten daher auf der Geschäftsstelle bei Gericht selbst. Lediglich hierauf besteht auch Anspruch. Ein Anspruch auf Versendung an einen auswärtigen Ort besteht nicht, denn insbesondere bei umfangreichen Akten bestünde nicht nur die Gefahr des Verlustes von Akten oder Aktenteilen, sondern auch die Gefahr sonstiger Unzuträglichkeiten, Hemmnissen und Erschwerungen.
Rz. 49
Während der Akteneinsicht können auch Ausfertigungen, Auszüge aus der Akte sowie Abschriften gefertigt bzw. durch die Geschäftsstelle erteilt werden. Ein Recht auf Akteneinsicht dergestalt, dass ein Anspruch auf Fertigung einer Abschrift der gesamten Verfahrensakte durch die Geschäftsstelle (ohne Akteneinsicht vor Ort) und Übersendung zu erfolgen hat, besteht nicht und lässt sich aus der gesetzlichen Regelung auch nicht ableiten. Das Worte "Auszüge" deutet bereits darauf hin, dass ein Beteiligter grundsätzlich keinen Anspruch auf Ablichtung der gesamten Akten hat.
Rz. 50
Das Recht auf Akteneinsicht findet nach der Rechtsprechung auch dort seine Grenze, wo es rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird. Ein solcher Fall wird etwa angenommen, wenn ohne jede Konkretisierung und vorherige Prüfung auf Erheblichkeit der Aktenbestandteile für die Rechtsverfolgung gleichsam "ins Blaue" oder "auf Verdacht" die Ablichtung einer gesamten, umfänglichen Akte verlangt wird.
Rz. 51
Akteneinsicht kann grundsätzlich beschränkt werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich ist oder wenn sonstige Interessenkollisionen ersichtlich sind. Im Unternehmensinsolvenzrecht wäre bspw. eine Konkurrentensituation ein solcher Fall. Im Nachlassinsolvenzverfahren wird man eine solche Beschränkung aber kaum vertreten können. Das Recht auf Erteilung von Kopien und Abschriften kann auch dann eingeschränkt werden, wenn die personellen und sachlichen Möglichkeiten des Insolvenzgerichts überfordert werden bzw. sonstige Gründen bestehen, die dann aber konkret darzulegen sind. Abschriften können dann abgelehnt werden, wenn das Insolvenzgericht konkret darlegen kann, dass es durch eine nicht zu bewältigende Vielzahl von Akteneinsichtsgesuchen derart überlastet ist, dass ausschließlich die Einsicht auf der Geschäftsstelle in Betracht kommt.
Rz. 52
Die Akteneinsicht oder ggf. einer Versendung ist Ermessensentscheidung. Zuständig für die Akteneinsicht ist im Eröffnungsverfahren die Geschäftsstelle der Insolvenzabteilung, soweit nicht nach § 299 Abs. 2 InsO die Zuständigkeit des Behördenvorstandes gegeben ist. Bestehen Zweifel, entscheidet der Richter. Im eröffneten Verfahren entscheidet ebenso der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, in Zweifelsfällen hier aber der Rechtspfleger. Alle Befugten treffen ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen. Sofern unbeteiligten Dritten Akteneinsicht gewährt werden soll, entscheidet hierüber der Vorstand des Gerichts (Gerichtsvorstand) bzw. – wenn diese Aufgabe delegiert wurde – die dann zuständige Person.
Rz. 53
Eine Akteneinsicht kann nur i.R.d. § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO gewährt werden. Dritte haben ein rechtliches Interesse glaubhaft zu machen. Rein wirtschaftliches Interesse genügt nicht.
Rz. 54
Ist das Verfahren (regulär) beendet, entscheidet der Richter oder der Rechtspfleger, der zuletzt mit dem Verfahren befasst war über die Akteneinsicht, wenn ein Gesuch eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, bei "Dritten" i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO der Gerichtsvorstand. Wird das Verfahren nach §§ 207, 211 Abs. 1, 212, 213 InsO nach Eröffnung eingestellt, gilt § 299 ZPO ebenso. Für die Fälle §§ 207, 211 Abs. 1 InsO gilt nach der Kommentierung § 299 Abs. 1 ZPO, während in den Fällen §§ 212, 213 InsO nur der § 299 Abs. 2 ZPO Anwendung finden soll, da nach Verfahrensbeendigung nicht automatisch von einer weiteren Gläubigerstellung ausgegangen werden muss.
Rz. 55
Das Rechtsmittel gegen eine abgelehnte Einsicht ist unterschiedlich zu bewerten. Zum einen ist das Rechtsmittel davon abhängig, in welchem Stadium des Verfahrens die Ablehnung stattfand, zum anderen durch welche Person sie erfolgte und letztlich, ob es sich um ein Ge...