Rz. 1
Bei Annahme eines Mandates wird der Anwalt klären, ob der Mandant über eine Rechtsschutzversicherung verfügt und bejahendenfalls, ob für das konkrete Mandat Deckung erreicht werden kann. Um die Frage beantworten zu können, in welchem Umfang Leistungen des Anwalts durch eine Rechtsschutzversicherung abgedeckt sind, wird der Anwalt die konkret vom Rechtsschutzversicherer verwendeten Rechtsschutzbedingungen (auch ARB genannt) beim Mandanten oder beim Versicherer einfordern müssen.
Bis 1994 verwendeten alle Rechtsschutzversicherer einheitliche Bedingungen, die zuvor behördlich durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigt wurden. Durch das "3. Gesetz zur Durchführung der versicherungsrechtlichen Richtlinien des Rates der EG" vom 21.7.1994 wurde die Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen abgeschafft.
Seither haben die Versicherer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, individuelle Bedingungen zu vereinbaren. Es gibt zwar die Musterbedingungen, die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) herausgegeben werden. Jedoch führte der Wettbewerb unter den einzelnen Versicherern dazu, dass von diesen GDV Bedingungen mehr und mehr abgewichen wird. Letztes "gemeinsames" Bedingungswerk sind die ARB 2005.
Rz. 2
Generell kann festgestellt werden, dass im Rahmen erbrechtlicher Mandate zumeist nur Beratungsrechtsschutz besteht.
Hierfür sind grundsätzliche Feststellungen zu treffen, nämlich,
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ob es sich um eine versicherbare Leistung handelt und |
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ob ein Versicherungsfall eingetreten ist. |
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Zusätzlich ist zu klären, ob es sich überhaupt um einen erbrechtlichen Anspruch im Sinne der jeweiligen konkret verwendeten Rechtsschutzversicherungsbedingungen handelt. Dieser Hinweis ist angebracht, da immer wieder zu beobachten ist, dass die Rechtsschutzversicherer vorschnell darauf verweisen, es handele sich um eine erbrechtliche Streitigkeit, während tatsächlich gar keine erbrechtliche Streitigkeit gegeben ist. Das OLG Karlsruhe führt hierzu aus: |
Zitat
"Erbrecht ist in der Rechtssprache die Gesamtheit aller privatrechtlichen Vorschriften, die nach dem Tod des Menschen die Weitergabe seines Vermögens (Palandt, BGB 66. Aufl. Einl. zu § 1922 Rn 1) sowie das Verhältnis der Rechtsnachfolger zueinander (OLG Düsseldorf VersR 2000, 579) regeln. Sie sind vornehmlich im – so auch überschriebenen – fünften Buch des BGB enthalten, finden sich aber auch in anderen Büchern (vgl. § 1371 BGB) oder in Vorschriften außerhalb des BGB (vgl. z.B. § 10 LPartG). Der Begriff ist damit umfassender als "erbrechtliche Ansprüche" i.S.v. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB, worunter nur Ansprüche aus dem fünften Buch des BGB zu verstehen sind (BGH NJW 2007, 2174)."
Beispiel (aus der Praxis des Verfassers)
Die Erblasserin war Eigentümerin einer Immobilie. Die Erblasserin veräußerte diese Immobilie, wobei die Sittenwidrigkeit der Veräußerung nach § 134 BGB im Raume stand. Die Erblasserin war rechtsschutzversichert. In diesem Fall war richtigerweise der Rechtsschutzfall bereits zu Lebzeiten der Erblasserin, nämlich mit Abschluss des sittenwidrigen Kaufvertrages entstanden. Diesen Anspruch wollte die Alleinerbin geltend machen und wandte sich an die Rechtsschutzversicherung der Erblasserin. Diese lehnte zunächst unter Hinweis, es handele sich um eine erbrechtliche Streitigkeit, eine Deckungszusage ab. Tatsächlich handelte es sich nur um eine Streitigkeit auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages, den die Alleinerbin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geltend machte.