Rz. 345

Als Jahresarbeitsverdienst (JAV) gilt grundsätzlich der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte (§ 14 SGB IV) und Arbeitseinkünfte (§ 15 SGB IV) des Verletzten in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Unfallmonat (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB VII).[317] Der JAV errechnet sich dabei nicht nur aus dem Einkommen derjenigen Beschäftigung oder Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignete, zu berücksichtigen sind auch weitere Einnahmen z.B. aus Nebenbeschäftigungen.[318] Entscheidend ist allein, dass alle Tätigkeiten gesetzlich (Pflichtversicherung, freiwillige Versicherung; §§ 2 ff. SGB VII) unfallversichert sind.

 

Rz. 346

Auf den Schadenersatzanspruch ist die Gesamtleistung der gesetzlichen Unfallversicherung (berechnet aus dem kumulierten JAV von – unfallversicherter – Neben- und Haupttätigkeit, unabhängig davon, ob es sich um selbstständige oder abhängige Beschäftigungen handelt) anzurechnen, und nicht nur mit demjenigen Anteil, der auf den Unfallbetrieb entfällt.[319]

 

Rz. 347

Der JAV beträgt mindestens (sog. Mindest-JAV, § 85 SGB VII) in Abhängigkeit vom im Zeitpunkt des Versicherungsfall vollendeten Lebensalter des Verletzten einen gesetzlichen festgelegten Prozentsatz von der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 SGB IV [siehe Tabelle 6.46, Rdn 322]), und zwar:

 

Rz. 348

 

Übersicht 6.21: Mindest-Jahresarbeitsverdienst und Unfallversicherung (bis 31.12.2020)

vollendetes Lebensjahr % der Bezugsgröße Vorschrift
bis zum 6. Lebensjahr 25 % § 86 Nr. 1 SGB VII a.F.
6.–15. Lebensjahr 33 ⅓ % § 86 Nr. 2 SGB VII a.F.
15.–18. Lebensjahr 40 % § 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII a.F.
ab dem 18. Lebensjahr 60 % § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII a.F.
fiktives Ausbildungsende   § 90 SGB VII a.F.
ab dem 21. Lebensjahr 75 % § 90 Abs. 4 SGB VII a.F.
ab dem 25. Lebensjahr 100 % § 90 Abs. 4 SGB VII a.F.
 

Rz. 349

Eine Überarbeitung der den Mindest-JAV bestimmenden Normen erfolgte durch Art. 7 Nrn. 10–13 7. SGBIVuaÄndG[320] m.W.v. 1.1.2021 (Art. 28 Abs. 6 7. SGBIVuaÄndG).[321] Für Versicherungsfälle nach dem SGB VII (1.1.1997 – 31.12.2020) bis zum Inkrafttreten der neuen §§ 90, 91 SGB VII (SGB VII-Altfälle) fehlt zwar eine § 124 SGB VII vergleichbare ausdrückliche Regelung; nach dem Regelungssinn des § 214 SGB VII kann für diese Fälle aber nichts anderes gelten.[322]

 

Rz. 350

 

Übersicht 6.22: Mindest-Jahresarbeitsverdienst und Unfallversicherung (ab 1.1.2021)

vollendetes Lebensjahr % der Bezugsgröße Vorschrift
bis zum 6. Lebensjahr 25 % § 85 Abs. 1a Nr. 1 SGB VII
6.–15. Lebensjahr 33 ⅓ % § 85 Abs. 1a Nr. 2 SGB VII
15.–18. Lebensjahr 40 % § 85 Abs. 1a Nr. 3 SGB VII
ab dem 18. Lebensjahr 60 % § 85 Abs. 1 SGB VII
hypothetischer beruflicher Lebensweg   § 91 SGB VII
25.–30. Lebensjahr 75 % § 85 Abs. 1a Nr. 4 SGB VII
ab dem 30. Lebensjahr 100 % § 90 Abs. 1 SGB VII
ab dem 30. Lebensjahr (bei Abitur) 120 % § 90 Abs. 1 S. 2 SGB VII
 

Rz. 351

Zu beachten ist, dass insbesondere bei jüngeren Verletzten die Rente in den Folgejahren nach Erreichen der jeweiligen Altersgrenzen (nach oben) angepasst wird (§ 91 SGB VII; § 90 SGB VII a.F.). Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die vor Abschluss ihrer Ausbildung verletzt wurden, ist Vorsicht bei der Regulierung der Direktansprüche geboten; eine (teilweise deutliche) Anhebung der Rentenleistung erfolgt bei fortschreitendem Alter des Verletzten. Schon § 90 Abs. 5 SGB VII a.F. stellte klar, dass im Rahmen der Regelungen für Mindest- und Kinder-JAV eine Neuberechnung stets in demjenigen Zeitpunkt vorzunehmen ist, in dem die nächste rechtserhebliche Altersstufe (von 6, 15 oder 18 Jahren) erreicht wird. Zugrunde zu legen ist der JAV desjenigen Jahres, in dem die Neuberechnung zu erfolgen hat.

 

Rz. 352

Nach dem 21. (oder später) Lebensjahr (§ 91 SGB VII; § 90 SGB VII a.F.) kann eine weitergehende Anpassung, orientiert an einem hypothetisch festgestellten beruflichen Lebensweg, erfolgen und damit zu deutlich höheren Rentenzahlungen führen, die dann auf den Schaden des Direktgeschädigten anzurechnen und – wegen des früheren Forderungsüberganges nach § 116 SGB X im Unfallzeitpunkt – mit dem UVT, soweit übergangsfähig, abzurechnen sind.

 

Rz. 353

Die Satzung des Unfallversicherers kann vorsehen, dass der Mindest-JAV höher angesetzt wird (§ 85 Abs. 2 SGB VII). Grundsätzlich bestimmt der Mindest-JAV sich nach dem gesetzlich fixierten Prozentsatz der sozialen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV [Tabelle 6.46, Rdn 322]).

 

Tabelle 6.48: Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) und Mindest-Jahresarbeitsverdienst

Jahr monatliche BZG (§ 18 SGB IV) bis 6. Lebensjahr 6.–15. Lebensjahr 15.–18. Lebensjahr ab 18. Lebensjahr
25 % 33,33 % 40 % 60 %
West Ost West Ost West Ost West Ost West Ost
2002 2.345 EUR 1.960 EUR 586 EUR 490 EUR 782 EUR 653 EUR 938 EUR 784 EUR 1.407 EUR 1.176 EUR
2003 2.380 EUR 1.995 EUR 595 EUR 499 EUR 793 EUR 665 EUR 952 EUR 798 EUR 1.428 EUR 1.197 EUR
2004 2.415 EUR 2.030 EUR 604 EUR 508 EUR 805 EUR 677 EUR 966 EUR 812 EUR 1.449 EUR 1.218 EUR
2005 2.415 EUR 2.030 EUR 604 EUR 508 EUR 805 EUR 677 EUR 966 EUR 812 EUR 1.449 EUR 1.218 EUR
2006 2...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge