Rz. 15
M und F, deren Ehe geschieden ist, haben das gemeinsame volljährige Kind vjK, das 19 Jahre alt ist. VjK lebt bei seiner Mutter F und geht noch zur Schule. F bezieht das Kindergeld. F hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.500 EUR. Ein Unterhaltsanspruch der F gegen M bzw. M gegen F besteht nicht (mehr). M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.700 EUR. VjK will von M Unterhalt.
I. Anspruchsgrundlage für den Unterhalt eines volljährigen Kindes
Rz. 16
Vgl. hierzu Fall 27, § 6 Rdn 1 ff. Beim volljährigen Kind stellt sich zunächst die Frage, ob es überhaupt unterhaltsberechtigt ist. Ein volljähriges Kind, das sich nicht in Ausbildung befindet und nicht erwerbsunfähig ist, muss grds. selbst für seinen Unterhalt sorgen (vgl. hierzu Fall 13, siehe § 2 Rdn 4 ff.).
II. Bedarf
Rz. 17
Beim Bedarf eines (dem Grunde nach unterhaltsberechtigten) volljährigen Kindes ist zu unterscheiden, ob es einen eigenen Hausstand hat (vgl. hierzu Fälle 8 bis 10, siehe § 1 Rdn 111 ff.) oder ob es noch im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils wohnt.
SüdL
13. Volljährige Kinder
13.1 Bedarf […]
13.1.1 Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle.
Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3.1), ist der Bedarf des Kindes i.d.R. nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Anwendung von Nr. 11.2) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle (ggf. Herauf-, Herabstufung abzüglich volles Kindergeld) ergibt.
VjK lebt bei einem Elternteil, im Fallbeispiel bei seiner Mutter. VjK ist bereits volljährig. Deshalb ist auch F dem K1 barunterhaltspflichtig. Nur beim minderjährigen Kind erfüllt der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung.
SüdL
13. Volljährige Kinder
[…]
13.1.1 Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle.
Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3.1), ist der Bedarf des Kindes i.d.R. nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Anwendung von Nr. 11.2) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle (ggf. Herauf-, Herabstufung abzüglich volles Kindergeld) ergibt.
Rz. 18
Der Unterhalt ist also nach dem zusammengerechneten Einkommen von M und F zu bestimmen.
M und F haben zusammen ein bereinigtes Nettoeinkommen von 4.200 EUR (2.500 + 1.700 EUR). Deshalb gilt für den Bedarf von vjK Einkommensgruppe 7 (3.901 – 4.300 EUR).
Beim Bedarf nach dem zusammengerechneten Einkommen erfolgt keine Umgruppierung nach der Anzahl der Unterhaltsberechtigten, die ja auch bei jedem Elternteil ganz unterschiedlich sein kann.
Rz. 19
Kind K1 ist 19 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 4. Sein Bedarf beträgt damit grds. 774 EUR.
Rz. 20
Das an F ausgezahlte Kindergeld ist voll auf den Bedarf anzurechnen.
BGH, Urt. v. 21.1.2009 – XII ZR 54/06
Um den unterschiedlichen Beiträgen der Eltern zum Barunterhaltsbedarf des volljährigen Kindes gerecht zu werden, ist das Kindergeld deswegen vorab bedarfsdeckend auf den gesamten (Bar-) Unterhaltsbedarf anzurechnen. Das führt dazu, dass beide Elternteile entsprechend der jeweils geschuldeten Quote vom Barunterhalt entlastet werden (BGH, Urt. v. 26.10.2005 – XII ZR 34/03 = FamRZ 2006, 99, 101 ff.).
Das ganze Kindergeld von 219 EUR ist also bedarfsdeckend anzurechnen, so dass 555 EUR (774 – 219 EUR) verbleiben.
Rz. 21
Hierbei handelt es sich um den Bedarf von vjK. Nunmehr sind die Haftungsanteile von M und F zu berechnen.
III. Haftungsanteil
1. Berechnung
Rz. 22
BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/09
Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften mehrere gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, was auch für sogenannte privilegierte Volljährige nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB (achtzehn- bis zwanzigjährige Schüler allgemeinbildender Schulen, die bei einem Elternteil wohnen) gilt (Urt. v. 31.10.2007 – XII ZR 112/05, FamRZ 2008, 137 Rn 19, 43; a.A. Johannsen/Henrich/Graba, Familienrecht, 5. Aufl., § 1606 Rn 9).
Die Haftungsanteile werden von der Unterhaltspraxis in Durchschnittsfällen als Quote anhand des verteilungsfähigen Einkommens berechnet, welches dem oberhalb des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts (Sockelbetrag) verfügbaren Einkommen entspricht.
SüdL
13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 III 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem ist vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (1.400 EUR) abzuziehen.
Der Haftungsanteil nach § 1606 III 1 BGB errechnet sich nach der Formel:
Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1.400 EUR mal (Rest-)Bedarf (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + ...