Rz. 103
Häufig wird in Ehegattentestamenten bzw. -erbverträgen dem überlebenden Ehegatten ein Nießbrauchvermächtnis zugewendet. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Nießbrauch am Nachlass als Vermögensnießbrauch gem. §§ 1085 ff. BGB oder als Nießbrauch am jeweiligen Erbteil der Kinder als Nießbrauch an einem Recht gem. §§ 1068, 1069 BGB ausgestaltet ist.
Nach § 1089 BGB finden die Regelungen der §§ 1085–1088 BGB auf den Nießbrauch am Nachlass entsprechend Anwendung. Beim Nießbrauch am Nachlass ist der Nießbrauch an jedem einzelnen Gegenstand zu bestellen (§ 1085 BGB). Beim Nießbrauch am Nachlass erfolgt die Bestellung nach Art des Nachlassgegenstandes nach den Vorschriften über die Nießbrauchbestellung an Sachen oder Rechten durch formlose Einigung. Bei Grundstücken muss jedoch nach § 873 BGB eine Grundbucheintragung erfolgen. Der Nießbrauch bleibt bestehen, wenn ein Gegenstand aus dem Nachlass ausscheidet. Im Umkehrschluss muss bei jedem neu in den Nachlass hinzukommenden Gegenstand der Nießbrauch neu bestellt werden. Somit besteht keinerlei dingliche Surrogation beim Nachlassnießbrauch.
Der Nießbrauch an einem Erbteil ist der Nießbrauch an einem Recht – dem Vermögen – gem. §§ 1066, 1068 ff., 2033 BGB. Es beinhaltet das Verwaltungs- und Stimmrecht der Miterben in Bezug auf ihren Erbteil sowie das Bezugsrecht der auf den Erbteil entfallenden Nutzungen. Voraussetzung für die Anordnung des Nießbrauchs an einem Erbteil ist demzufolge, dass mehrere Erben vorhanden sind. Wird bei einem Nießbrauch an einem Erbteil ein Nachlassgegenstand entfernt, dann erlischt an diesem Gegenstand der Nießbrauch. Die Entnahme darf jedoch nur mit Zustimmung des Nießbrauchers durchgeführt werden. Wird ein Gegenstand in den Nachlass eingebracht, so muss der Nießbrauch nicht extra daran bestellt werden. Aufgrund § 1069 BGB erfolgt die Bestellung des Nießbrauchs am Erbteil nach den für die Übertragung des Rechtes geltenden Vorschriften. Dies bedeutet, dass die Bestellung beim Erbteilnießbrauch zwingend durch notarielle Beurkundung entsprechend der Erbteilsübertragung gem. § 2033 Abs. 1 BGB zu erfolgen hat. Dies ist ebenso zwingend, wenn sich nur ein Gegenstand im Nachlass befindet. Für das Verfügungsrecht gilt: Analog zu §§ 1066 Abs. 2, 3, 1068 Abs. 2, 1071 BGB ist bei einem Nießbrauch an einem Erbteil die Zustimmung des Nießbrauchers bei Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände seitens des nießbrauchbelasteten Erben und der anderen Miterben erforderlich. Im Gegensatz dazu ist beim Nießbrauch am gesamten Nachlass die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses durch die Erben ohne den Nießbrauchberechtigten möglich.