Rz. 6
Gemäß § 1820 Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F. müssen zu der allgemeinen Betreuungsbedürftigkeit "konkrete Anhaltspunkte" hinzutreten, nach welchen der Bevollmächtigte "nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers" handelt. Damit wird der Rechtsprechung des BGH der letzten Jahre gefolgt, die unter Berücksichtigung des in Frage stehenden Gutes der Selbstbestimmung grundsätzlich hohe Anforderungen an die Einsetzung eines Kontrollbetreuers stellt.
Rz. 7
Bemerkenswert ist die ausdrückliche Erwähnung einer "Vereinbarung". Damit wird mit dem BGH das beim Vorsorgeverhältnis grundsätzlich vorauszusetzende Auftragsverhältnis bestätigt. Dem sollte in Zukunft weiter gefolgt werden, da ein solches bei der immensen Bedeutung für den Vollmachtgeber sowie des Umfanges der Befugnisse für den Bevollmächtigten nach hiesiger Ansicht einen Rechtsbindungswillen deutlich belegt und zudem ohne die Rechte aus §§ 662 ff. BGB unlauter handelnden Bevollmächtigten kaum beizukommen ist. Lediglich bei Ehegatten soll es (grundsätzlich) nicht vorliegen.
Rz. 8
Der Begriff des "Interesses" wurde im Gesetzgebungsverfahren durch den des "erklärten oder mutmaßlichen Willens" ersetzt, um die Subjektivität klarzustellen. Sie wird wohl ebenfalls als Bezug auf den Auftrag zu sehen sein, dessen Inhalt aber meistens nicht ausdrücklich geregelt wird. Willenserklärungen des Vollmachtgebers kommen konkreten Weisungen gem. § 665 BGB zumindest nah und bilden einen gut prüfbaren Maßstab, beispielsweise trotz unter Umständen schlechterer medizinisch-pflegerischer Versorgung unter allen Umständen zu Hause wohnen bleiben zu wollen.
Rz. 9
Der "mutmaßliche Wille" kann deutlich schwerer festzustellen sein. Der Maßstab ist jedenfalls ein subjektiver. Es ist also nicht das "objektiv Beste" zugrunde zu legen, sondern ein anzunehmender Wille. In Vermögensanlagen spricht viel dafür, die Anlagestrategie des Vollmachtgebers beizubehalten und sonst das bestmögliche Ergebnis mit dem (anzunehmenden) Sicherheitsbedürfnis des Vollmachtgebers abzuwägen. Grundsätzlich wird ein Vollmachtgeber erwarten, dass sich ein Bevollmächtigter beraten lässt, wenn keine ausreichenden eigenen Kenntnisse vorliegen.
Rz. 10
Eine bekannte letztwillige Verfügung kann zeigen, dass über Gegenstände vermächtnisweise verfügt wurde und sie daher z.B. bei einem Umzug in ein Pflegeheim nicht zu verkaufen, sondern einzulagern sind. Schenkungen sind oft höchst problematisch, wenn es sich nicht um schon vom Vollmachtgeber selbst regelmäßig ausgeführte Spenden oder Schenkungen z.B. an Verwandte und Patenkinder handelt. Nach hier vertretener Ansicht sind an einen mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers, nach welchem der Bevollmächtigte Schenkungen ausführen soll, hohe Anforderungen zu stellen. Häufig gehen diese lebzeitigen Verfügungen zu Lasten der Erben und hebeln damit Testamente aus. Aus diesem Grund und wegen der allgemeinen Folge der Vermögensminderung beim Vollmachtgeber durch Schenkungen sind diese grundsätzlich nicht als im Interesse und damit auch nicht als von seinem mutmaßlichen Willen gedeckt anzusehen. Die Beweislast für eine Schenkungsweisung und damit auch der Grundsatz, dass im Zweifel kein solcher Wille anzunehmen ist, gehen zu Lasten des Bevollmächtigten. Daran ändern auch Befreiungen von den Beschränkungen des § 181 BGB sowie die Zulässigkeit von Schenkungen nach der Vollmacht nichts. Beide werden zum einen formelhaft verwandt und zum anderen wohl vom Vollmachtgeber kaum als Freifahrtschein für eine Vermögensneuordnung angesehen, sondern (wenn sie überhaupt wahrgenommen werden) als Befugnis zur Fortführung oben genannter Schenkungen oder der Auskehr von "Trinkgeldern" an Pflegepersonal und Ähnliches.
Rz. 11
Die in der Gesetzesbegründung genannten "Überforderung des Bevollmächtigten wegen der Schwierigkeit des Rechtsgeschäfts oder einer eigenen Erkrankung oder sonstiger Änderungen seiner Lebensbedingungen, ernsthafte Zweifel an der Redlichkeit des Bevollmächtigten oder neu auftretende Interessenkonflikte" zielen eher auf Kriterien in der Person des Bevollmächtigten ab, als dass sie Hinweise auf die Willensermittlung beim Vollmachtgeber geben. Jedoch werden die objektiven Fakten, die auf eine "Überforderung" oder zweifelhafte "Redlichkeit" schließen lassen, regelmäßig einen Verstoß gegen den Willen des Vollmachtgebers bedeuten.
In subjektiver Hinsicht wird zutreffenderweise davon auszugehen sein, dass der vom Betreuungsgericht zugrunde zu legende Maßstab zur Beurteilung des Handelns vom Vollmachtgeber auch durch die Auswahl des Bevollmächtigten festgelegt wurde. Wenn z.B. kleinere Unpünktlich- und Nachlässigkeiten bei der Erledigung von "Schreibarbeit" aufgrund der Persönlichkeit des Bevollmächtigten schon für den Vollmachtgeber zu erwarten waren, werden ihm diese später nicht vorgeworfen werden können.