Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 3
Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO), dann geht zu diesem frühen Zeitpunkt gem. § 22 Abs. 1 S. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über ("gesetzliche Kompetenzzuweisung" – s. zum Ausdruck Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12). Dass zugleich auch die Arbeitgeberfunktion auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (so schon Smid, WM 1995, 785, 788; Berscheid, ZInsO 1999, 700; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl, § 102 Rn 22; HK/Kirchhof, § 22 InsO Rn 22), erhellt ein Vergleich des Wortlautes des § 6 KO a.F., wo der Übergang der Arbeitgeberfunktion unbestritten war (grundlegend BAG v. 17.9.1974 – 1 AZR 16/74, KTS 1975, 132 = NJW 1975, 182), mit dem Wortlaut der §§ 22 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1 InsO (Berscheid, S. 151 Rn 492). Durch die Verbindung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes wird der vorläufige Insolvenzverwalter dem (endgültigen) Insolvenzverwalter und der Schuldner dem Insolvenzschuldner praktisch gleichgestellt (Berscheid, ZInsO 1998, 9, 10; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 62). Dies gilt insb. für die Kündigungsberechtigung, die auf den sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, sodass eine Kündigung durch den Arbeitgeber (Schuldner) nicht nur relativ, sondern absolut unwirksam wäre (Berscheid, ZIP 1997, 1569, 1574). Bildlich gesehen kann man beim starken vorläufigen Insolvenzverwalter vom "Quasi-Arbeitgeber" sprechen (Bichlmeier/Wroblewski, Insolvenzhandbuch, S. 188, 189).
Rz. 4
Die Gleichstellung von vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter erfolgt in den Fällen des § 22 Abs. 1 InsO zwar nicht auf der ganzen Linie, aber in wesentlichen Bereichen sowohl außerprozessual als auch in gerichtlichen Verfahren (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63). Die Bestellung eines sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Verfügungsverbot, also mit "gesetzlicher Kompetenzzuweisung" (dazu Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12), hat folgende Wirkungen (Berscheid, S. 153 Rn 497; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63):
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anhängige Rechtsstreite werden unterbrochen (§ 240 S. 2 ZPO); |
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sie können nur nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften aufgenommen werden (§ 240 S. 1 ZPO i.V.m. §§ 24 Abs. 2, 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO); |
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das Rubrum ist auf den vorläufigen Insolvenzverwalter umzustellen; |
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neue Rechtsstreitigkeiten, insb. Kündigungsschutzprozesse, sind direkt gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter zu richten. |
Rz. 5
Wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nach dem Inhalt des Bestellungsbeschlusses auf einen vorläufigen (starken) Insolvenzverwalter übergeht, wird der vorläufige Insolvenzverwalter Prozesspartei; ob man seine Rechtsstellung nach der Amtstheorie oder Vertretertheorie oder Repräsentationstheorie oder Organtheorie bestimmen will, ist dabei in diesem Punkte ohne Bedeutung (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63).