Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 28
Für die Kündigung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gelten keine Besonderheiten. Die Formvorschriften für eine Kündigung finden ebenso Anwendung wie die Kündigungsschutzvorschriften. Die Nichteinhaltung der Schriftform hat gem. § 623 BGB i.V.m. § 125 S. 1 BGB die Nichtigkeit einer mündlich ausgesprochenen Kündigung zur Folge. Gleiches gilt, wenn in den Fällen des § 22 Abs. 3 BBiG, des § 9 Abs. 3 S. 2 MuSchG und des § 64 Abs. 2 SeemG die Kündigung ohne Angabe der Kündigungsgründe erfolgt (Berscheid, BuW 1998, 913, 916). Insoweit besteht vor Stellung des Insolvenzantrages und während der vorläufigen Verwaltung kein Unterschied zur Rechtslage nach Verfahrenseröffnung (Berscheid, ZInsO 2000, 208). Die Schriftform für die Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt sowohl für die Beendigungskündigung des Arbeitnehmers als auch für die des Arbeitgebers und damit für die des vorläufigen Insolvenzverwalters. Eine Änderungskündigung bezweckt zwar nur eine inhaltliche Änderung des Arbeitsverhältnisses. Da sie aber bei fehlendem oder verspätetem Vorbehalt (s. dazu BAG v. 17.6.1998 – 2 AZR 336/97, EWiR 1998, 989 m. Anm. Oetker = NJW 1999, 236 = NZA 1998, 1225 = ZIP 1998, 2017) in eine Beendigungskündigung umschlagen kann, bedarf auch die Änderungskündigung zu ihrer Wirksamkeit ebenfalls stets der Schriftform (BAG v. 16.9.2004, AP Nr. 78 zu § 2 KSchG 1969 = BAGReport 2005, 115).
Rz. 29
Der allgemeine und besondere Kündigungsschutz gilt grundsätzlich sowohl im Insolvenzeröffnungsverfahren als auch nach Verfahrenseröffnung. Die Frage, mit welcher Kündigungsfrist Arbeitsverhältnisse beendet werden können, ist dagegen in beiden Verfahrensabschnitten unterschiedlich zu beantworten. Bei Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes geht zwar die Arbeitgeberfunktion einschließlich der Kündigungsbefugnis kraft "gesetzlicher Kompetenzzuweisung" (dazu Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12) auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über; ebenso wie bei Bestellung unter Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehaltes und ausdrücklicher Zuweisung des Kündigungsrechts kraft "gerichtlicher Kompetenzzuweisung" (dazu Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12). In beiden Fällen aber hat der vorläufige Insolvenzverwalter die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 622 BGB und bei Tarifgeltung (Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit, Allgemeinverbindlicherklärung, Inbezugnahme) vergleichbare tarifliche Regelungen sowie einzel- oder tarifvertragliche Kündigungsbeschränkungen und -erschwerungen zu beachten.
Rz. 30
Die Regelungen des § 113 InsO gelten nämlich nicht im Eröffnungsverfahren (BAG v. 20.1.2005, AP 18 zu § 113 InsO = ZIP 2005, 1289). In § 22 InsO wird weder auf die arbeitsrechtlichen Vorschriften der InsO verwiesen noch ist die Vorschrift des § 22 InsO in § 113 InsO in Bezug genommen worden. § 113 InsO nennt nur den (endgültigen) Insolvenzverwalter. Auch eine analoge Anwendung des § 113 InsO scheidet aus, denn die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers lässt angesichts der vielfältigen sonstigen Verweisungen auf Vorschriften des eröffneten Insolvenzverfahrens in den Regelungen über die vorläufige Insolvenzverwaltung (vgl. §§ 20, 21 Abs. 2 Nr. 1 und 4, Abs. 3, § 22 Abs. 3, § 24 InsO) dafür keinen Raum. Die InsO lässt insoweit keine planwidrige Lücke erkennen. Der "starke" vorläufige Insolvenzverwalter und der – endgültige – Insolvenzverwalter haben unterschiedliche Funktionen und sind vom Gesetzgeber nicht völlig gleichgestellt worden (BAG v. 20.1.2005, AP 18 zu § 113 InsO = ZIP 2005, 1289). Eine sinngemäße Anwendung der kürzeren Kündigungsfristen des § 113 S. 2 InsO könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO das Unternehmen mit Zustimmung des Insolvenzgerichts stilllegt (Gottwald/Haas/Bertram/Künzl, § 102 Rn 24; ebenso Bertram, NZI 2001, 625, 626; Berscheid/Bertram, InsbürO 2004, 172, 175; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 81).