Rz. 10

Ist dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, dann bleibt er ohne ausdrückliche gegenteilige Anordnung im Anordnungsbeschluss allein kündigungsbefugt und hat in den Fällen einer Betriebsstilllegung oder sonstigen Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG den Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu suchen und einen Sozialplan zu vereinbaren. Ordnet das Insolvenzgericht nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO das Zusammenwirken des vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Schuldner an, steht dem vorläufigen Verwalter kein eigenes Kündigungsrecht zu. Er kann und darf vielmehr angesichts der klaren gerichtlichen Anordnung sämtliche Arbeitsverhältnisse nur im "Zusammenwirken" mit dem Schuldner kündigen (LAG Erfurt v. 18.8.1997, LAGE § 2 GesO Nr. 1 = ZAP ERW 1998, 54 m. Anm. Berscheid). Auch kann er allein mit dem Betriebsrat rechtswirksam keinen Sozialplan vereinbaren (LAG Hamm v. 26.11.1998, InVo 1999, 234, 240 = ZInsO 1999, 363, 364).

 

Rz. 11

Die Anordnung des "gemeinsamen" Handelns durch Schuldner und vorläufigen Insolvenzverwalter (s. dazu näher Berscheid, in: FS Hanau, S. 701, 724 ff.) im Bestellungsbeschluss erscheint nur auf den ersten Blick sinnvoll zu sein, bei näherer Betrachtung erweist sich diese Anordnung jedoch als unzweckmäßig, denn die Fälle des einvernehmlichen Handelns von Schuldner (Arbeitgeber) und vorläufigem Insolvenzverwalter sind nicht das Problem. Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen sich beide nicht einig sind und entweder der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter daraufhin allein tätig wird (Berscheid, ZIP 1997, 1569, 1573). Wenn dem vorläufigen Insolvenzverwalter nach dem gerichtlichen Bestellungsbeschluss Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens nur im Zusammenwirken mit der Schuldnerin und damit mit deren vertretungsberechtigten Organen zustehen, hat er kein eigenes Recht zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen, selbst wenn der Geschäftsführer der Schuldnerin für den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht (mehr) erreichbar ist (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 67). Das alleinige Verfügungsrecht zur Sicherung des Vermögens und damit auch das Recht, die Arbeitsverhältnisse zur Sicherung des Vermögens zu kündigen, kann der vorläufige Insolvenzverwalter nur durch eine Erweiterung der gerichtlichen Ermächtigung erreichen (so zur Sequestration BAG v. 22.10.1998, KTS 1999, 251 = ZInsO 1999, 361). Die Ausübung des Kündigungsrechtes ohne einen solchen Beschluss führt zur Unwirksamkeit der Kündigung mangels Kündigungsbefugnis (Berscheid, ZAP ERW 1998, 54, 55). Die Anordnung des gemeinsamen Handelns von Schuldner und vorläufigem Insolvenzverwalter führt neben den aufgezeigten Verwicklungen nur zu Zeitverzögerungen und sollte deshalb tunlichst unterbleiben.

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