Marnie Plehn, Peter Hützen
a) Einzelvertraglicher Kündigungsausschluss
Rz. 13
§ 113 S. 1 InsO ordnet die Unbeachtlichkeit eines einzelvertraglich vereinbarten Ausschlusses des Rechts zur ordentlichen Kündigung an. Sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Arbeitnehmer können danach trotz einer entgegenstehenden vertraglichen Abbedingung des Kündigungsrechts in der Insolvenz ordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist bemisst sich nach den jeweils einschlägigen gesetzlichen, vertraglichen oder tariflichen Fristen, wenn diese kürzer als 3 Monate sind; ansonsten ist die Höchstfrist des § 113 S. 2 InsO von drei Monaten zum Monatsende zu beachten (Berscheid, S. 178 Rn 556). Sog. Lebenszeitverträge, die nach § 15 Abs. 4 TzBfG (bzw. § 624 BGB für Dienstverträge, die keine Arbeitsverhältnisse sind) außerhalb der Insolvenz erst nach fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, und zwar nur vom Arbeitnehmer, gekündigt werden können (BAG v. 6.10.2005, NZA-RR 2006, 416), sind in der Insolvenz wegen der Regelung des § 113 S. 1 InsO auch seitens des Insolvenzverwalters kündbar; für beide Seiten gilt hier die Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO von drei Monaten zum Monatsende (Hess, § 113 InsO Rn 186).
b) Tariflicher Kündigungsausschluss
Rz. 14
§ 113 S. 1 InsO durchbricht sowohl den einzel- als auch den tarifvertraglichen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung (BAG v. 19.1.2000, NZA 2000, 658 = NZI 2000, 339 = ZInsO 2000, 568 = ZIP 2000, 985; Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 71). Der mit der Anwendung des § 113 InsO auf kollektivrechtliche Kündigungsvereinbarungen verbundene Eingriff in die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien, Art. 9 Abs. 3 GG, ist wegen der konkurrierenden Grundrechte der übrigen Gläubiger aus Art. 14 GG gerechtfertigt (BAG v. 16.6.2005 – 6 AZR 476/04, ZIP 2005, 1842; BAG v. 16.5.2002, ZInsO 2003, 43; HaKo/Ahrendt, § 113 Rn 31; FK/Eisenbeis, § 113 InsO Rn 28). Die Durchbrechung der "Unkündbarkeit" betrifft des Weiteren Beschäftigungsgarantien ebenso wie Standortsicherungsabkommen in Kollektivvereinbarungen, und zwar auch dann, wenn die Arbeitnehmer für den durch die Standortsicherungsvereinbarung oder die Beschäftigungsgarantie eingeräumten Kündigungsschutz eine Gegenleistung in Form des Verzichts auf Entgeltbestandteile – wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld – erbracht haben (BAG v. 17.11.2005, DZWIR 2006, 284 m. abl. Anm. Bichlmeier = ZInsO 2006, 724 = ZIP 2006, 774; zust. KPB/Moll, § 113 InsO Rn 71; Lindemann, ZInsO 2006, 697, 698; Thüsing/v. Medem, EWiR 2006, 499, 500).
Rz. 15
Die gesetzliche Regelung erfasst schließlich auch tarifliche Kündigungserschwerungen, welche die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung ggü. ansonsten "unkündbaren" Arbeitnehmern an die Zahlung einer Sozialplanabfindung knüpfen, denn mit der Zielsetzung des § 113 InsO ist eine Unterscheidung zwischen (absolutem) Kündigungsausschluss und (finanziellen) Kündigungserschwerungen nicht zu vereinbaren (LAG Hamm v. 26.11.1998 – 8 Sa 1576/98, EWiR 1999, 467 m. Anm. Moll = KTS 2000, 85 = ZInsO 1999, 302; LAG Hamm v. 14.1.1999, ZInsO 1999, 544).