Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 62
Bei den von § 125 Abs. 1 InsO erfassten betriebsbedingten Kündigungen kann es sich sowohl um Beendigungskündigungen als auch um Änderungskündigungen handeln (Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177, 180 mit zahlreichen Nachweisen in Fn 126; a.A. Kania, DZWIR 2000, 328, 329). Gleiches gilt für § 1 Abs. 5 KSchG (BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste m. Anm. Wallner = NZA 2008, 103 = SAE 2008, 181 m.w.N. zum Sach- und Streitstand in Rn 19 f.). Wird von beiden Kündigungsarten Gebrauch gemacht, dann ist neben der namentlichen Bezeichnung der betroffenen Arbeitnehmer jeweils auch die Kündigungsart anzugeben (Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177, 180 mit zahlreichen Nachweisen). Im Fall der Änderungskündigung ist darüber hinaus das Änderungsangebot in seinen wesentlichen Punkten aufzunehmen, z.B. die Reduzierung des Arbeitsentgelts um X EUR oder X Prozent oder Streichung übertariflicher Leistungen, Versetzung an einen konkret bezeichneten anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einen bestimmten anderen Betrieb des Unternehmens (Grunsky/Moll, Rn 355 mit weiteren Beispielen; Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177, 180). Fehlende Angaben hierüber führen zwar nicht zur Unwirksamkeit des Interessenausgleichs, sind jedoch aus Gründen der Beweissicherung dringend geboten. Bestehen nämlich in einem späteren Kündigungsschutzprozess Zweifel, welche beabsichtigte Vertragsänderung der Einigung zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat zugrunde lag, dann steht dieser Umstand der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO entgegen (Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177, 180; Uhlenbruck/Zobel, § 125 InsO Rn 30).
Rz. 63
Bei Zustandekommen eines Interessenausgleiches mit Namensliste wird vermutet, dass die Kündigung der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die
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im Fall einer Beendigungskündigung einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bzw. |
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im Fall einer Änderungskündigung einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, |
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bedingt ist (§ 1 Abs. 5 S. 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO). |
Rz. 64
Diese Vermutung betrifft sowohl den Wegfall der bisherigen als auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (Preis, DB 1998, 1614, 1616) und bezieht sich über den insoweit engen Wortlaut hinaus nicht nur auf das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb, sondern auch auf fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen (so zu § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG: BAG v. 6.9.2007, AuA 2008, 241; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 715/06, BB 2008, 727 m. Anm. Dornbusch = NZA 2008, 633 m.w.N. zum Sach- und Streitstand in Rn 17–19). Die Vermutung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO stellt eine Rechts- und Tatsachenvermutung dar (Ascheid, RdA 1997, 333, 343; KPB/Moll, § 125 InsO Rn 36; Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177, 180; Uhlenbruck/Zobel, § 125 InsO Rn 32). Sie hat Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess, in dem nach bislang geltendem Recht der Insolvenzverwalter gem. § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG für das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen darlegungs- und beweispflichtig war (BAG v. 23.3.1984, AuR 1984, 154; BAG v. 23.3.1984, ZIP 1984, 1524, 1525). Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um (BAG v. 2.12.1999, NZA 2000, 531 = ZInsO 2000, 411 = ZIP 2000, 676).
Rz. 65
Nunmehr hat der Arbeitnehmer den bei widerleglichen Vermutungen i.S.v. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 292 S. 1 ZPO offenen Beweis des Gegenteils als Hauptbeweis zu führen. Dazu genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer das Vorbringen des Insolvenzverwalters erschüttert, sondern er muss hinsichtlich der gesetzlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen. Dieser ist erst dann geführt, wenn das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhaltes überzeugt ist, der das Gegenteil der Vermutung ergibt (LAG Hamm v. 6.7.2000, DZWIR 2001, 107 m. Anm. Weisemann = ZInsO 2000, 569). Der Arbeitnehmer hat mithin
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im Fall der Beendigungskündigung nachzuweisen, dass sein Arbeitsplatz trotz der durchgeführten Betriebsänderung noch vorhanden ist oder eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens besteht (LAG Hamm v. 2.9.1999, ZInsO 2000, 352; LAG Hamm v. 25.11.2004, LAGE § 125 InsO Nr. 5 = LAGReport 2005, 376, 378 = ZInsO 2005, 616); |
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im Fall der Änderungskündigung darzulegen und ggf. nachzuweisen, wie er sich eine anderweitige Weiterbeschäftigung vorstellt, die die Änderung der Arbeitsbedingungen überflüssig macht (so zur Zumutbarkeit eines Wohnortwechsel BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste m. Anm. Wallner = NZA 2008, 103 = SAE 2008, 181, in Rn 39). |
Rz. 66
Sowohl bei der Beendigungs- als auch bei der Änderungskündigung kann der Arbeitnehmer bei Zustandekommen eines Interessenausgleiches mit Namenslist...