Rz. 18

Insolvenzverwalter und Dienstverpflichteter (Arbeitnehmer) können ohne Rücksicht auf gesetzlich (§ 622 BGB), tarifvertraglich oder einzelvertraglich geltende Kündigungsfristen mit einer Höchstfrist von drei Monaten zum Monatsende kündigen (BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP § 113 InsO Nr. 12 = ZIP 2007, 1875; BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 789 = ZInsO 2003, 480; BAG v. 6.7.2000, ZInsO 2000, 567 = NZA 2001, 23; BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 425/98, NZA 1999, 425; LAG Düsseldorf v. 18.11.2015, NZI 2016, 368). Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Grund die Kündigung gestützt wird, und für die gesamte Zeit des Insolvenzverfahrens (HaKo/Ahrendt, § 113 InsO Rn 32). Soweit außerhalb der Insolvenz eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich wäre, ist diese gem. § 113 S. 2 InsO anzuwenden.

 

Rz. 19

Neben den Probezeitkündigungsfristen von zwei Wochen ohne Einhaltung eines Kündigungstermins (§ 622 Abs. 3 BGB) und den Grundkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gelten für eine Kündigung in der Insolvenz nur noch die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 BGB.

 

Rz. 20

Eine Billigkeitskontrolle, ob der Ausspruch einer Kündigung mit der Höchstfrist des § 113 S. 2 InsO im Einzelfall angemessen und zumutbar ist, braucht der Insolvenzverwalter nicht vorzunehmen. § 113 S. 2 InsO untersagt es dem Insolvenzverwalter zwar nicht, mit einer längeren Frist als der in § 113 S. 2 InsO vorgesehenen zu kündigen; aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflicht erwächst aber auch unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG kein Anspruch auf Verlängerung der Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO. Der Schadenersatzanspruch nach § 113 S. 3 InsO ist der dem Insolvenzrecht immanente und dem System der Insolvenzordnung entsprechende Ausgleich für die Nachteile, die dem Arbeitnehmer durch die gesetzlich eröffnete Verkürzung der Kündigungsfrist entstehen (BAG v. 27.2.2014, ZInsO 2014, 1166).

1. Einzelvertragliche Vereinbarungen über Kündigungsfristen und -termine

 

Rz. 21

Ausnahmsweise zulässige, ggü. der gesetzlichen Grundkündigungsfrist kürzere Kündigungsfristen (bei Aushilfsarbeitsverhältnissen § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BGB oder in Kleinbetrieben § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB) gelten auch in der Insolvenz (Tschöpe/Fleddermann, ZInsO 2001, S. 455; Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 97).

2. Tarifvertragliche Regelungen über Kündigungsfristen und -termine

 

Rz. 22

Tarifliche Kündigungsfristen sind vielfach in der ersten Zeit der Beschäftigung kürzer als die gesetzlichen Grundkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB – so beträgt diese z.B. im Baugewerbe im ersten Beschäftigungsjahr sechs Werktage (§ 11 Nr. 1.11. BRTV-Bau) – oder kürzer als die gesetzliche Probezeitkündigungsfrist – so beträgt diese z.B. in der Metall- und Elektroindustrie im ersten Monat eine Woche (§ 2 Nr. 2 MTV-Metall NRW) –, sie gelten aber nur dann als gesetzliche Kündigungsfristen, wenn Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit besteht (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) oder wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist (§ 5 Abs. 4 TVG). Die gesetzliche Regelung des § 113 S. 2 InsO über die Höchstfrist geht als lex specialis nicht nur anderen längeren gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 4–7 BGB, sondern auch längeren Kündigungsfristen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen vor (LAG München v. 26.8.1998, ZInsO 1999, 120); über drei Monate zum Monatsende hinausgehende verlängerte tarifliche Kündigungsfristen werden "gekappt" (Berscheid, ZInsO 1998, 159, 163 f.; Bertram, NZI 2001, 625, 630; Düwell, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1433, 1450 Rn 50; Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1098; Griese, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1513, 1533 Rn 55; HWF, Kap. 5 Rn 262; Heinze, NZA 1999, 57, 59; Hess/Weis, InVo 1996, 309, 310; Kilger/Schmidt, KO, § 22 Anm. 14b; KPB/Moll, § 113 InsO Rn 64; KR/Weigand, § 113 InsO Rn 37; Lakies, RdA 1997, 145, 146; Löwisch, NZA 1996, 1009, 1017; Lorenz, DB 1996, 1973, 1977; MK-InsO/Löwisch/Caspers, § 113 InsO Rn 26; NR/Hamacher, § 113 InsO Rn 90; U. Preis, NJW 1996, 3369, 3370; Schrader, NZA 1997, 70; Schwedes, BB Beil. 17/1996, S. 2, 7; Stahlhacke/Preis, WiB 1996, 1025, 1032; Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 112; a.A. Bichlmeier/Oberhofer, AiB 1997, 161, 162).

 

Rz. 23

Gleiches gilt für tarifliche Regelungen, die das Wochen- oder Quartalsende als Kündigungstermin vorsehen (Berscheid, ZInsO 1998, 159, 162; ders., S. 197 Rn 594); sie gelten nur, wenn Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit besteht (§ 3 Abs. 1 TVG) oder der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist (§ 5 Abs. 4 TVG). Soweit tariflich Quartalskündigungstermine vorgesehen sind, bleiben diese so lange gültig, wie dadurch keine längere Kündigungsfrist als 3 Monate zum Monatsende herauskommt (Berscheid, WiPra 1996, 370; ders., ZInsO 1998, 159, 163; MK-InsO/Löwisch/Caspers, § 113 InsO Rn 26; Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 113).

Während z.B. eine Kündigung in der ersten Februarhälfte 2015 mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende, also zum 31.3.2015...

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