Rz. 2

Zunächst können Compliance-Richtlinien aufgrund von Weisung mithilfe des Direktionsrechts gem. § 106 GewO implementiert werden, sofern es sich um betriebsratslose Betriebe handelt – ansonsten sind Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen (vgl. § 71). Zu beachten ist dabei allerdings, dass das Direktionsrecht nicht die Begründung neuer Pflichten ermöglicht (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387; Schröder/Schreier, BB 2010, 2565). Es bezweckt vielmehr die Konkretisierung bestehender arbeitsvertraglicher Haupt- und Nebenpflichten (Hohmuth, BB 2014, 3061, 3063; Schulz/Kuhnke, BB 2012, 143, 147; Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 618; Vogt, NJOZ 2009, 4206, 4209). Vorbehaltlich entgegenstehender individual- und kollektivrechtlicher Regelungen ist der Arbeitgeber mithin berechtigt, die arbeitsvertraglich regelmäßig nicht ausdifferenzierten Pflichten des Arbeitnehmers mit Blick auf Art und Weise, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu umschreiben, und zwar auch abstrakt-generell. Im Rahmen der Implementierung von Verhaltensregeln kommt es also letztlich auf deren Gehalt an: Bloße Wiederholungen gesetzlich ohnehin bestehender Pflichten in Verhaltenskodizes sind ähnlich unkritisch wie Formulierungen lediglich informatorischer Art. Sie begründen keine eigenständigen Verhaltenspflichten. Verhaltensrichtlinien, die abstrakt bestehende Pflichten spezifizieren und detaillieren, bedürfen damit einer genaueren Bewertung nach diesen Maßgaben (tiefergehend hierzu mit Beispielen und Formulierungsvorschlägen: Maschmann/Sieg/Göpfert/Tödtmann/Kaluza-Krieg, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2020, Erläuterung 250 Compliance-Verpflichtungen Rn 47 ff.)

 

Rz. 3

Voraussetzung für den Anwendungsbereich des Direktionsrechts ist zudem, dass es sich um Umstände handelt, die die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb betreffen. Auf außerbetriebliches Verhalten können sich die Weisungen nur erstrecken, soweit sich ein derartiges Verhalten auch auf den betrieblichen Bereich auswirkt (Stober/Ohrtmann/Mengel/Köhn, S. 559; Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 618). Die Weisung hat ferner billigem Ermessen zu entsprechen. Dies ist der Fall, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen – Einhaltung der Verhaltenspflichten vs. hieraus erwachsender Beeinträchtigung der Arbeitnehmer – im Lichte grundrechtlicher Wertungen angemessen berücksichtigt sind (ErfK/Preis, § 106 GewO Rn 10; BAG v. 17.12.1997 – 5 AZR 332/96).

 

Rz. 4

Die Einführung mittels des Direktionsrechts ermöglicht dem Arbeitgeber eine einseitige Implementierungsmöglichkeit und eröffnet ihm hierdurch flexible Gestaltungsmöglichkeiten (Müller-Bonanni/Sagan, BB Special 5 zu BB 2008, Heft 25, 28, 29; Hohmuth, BB 2014, 3061, 3062 f.). Des Weiteren ist es für den Arbeitgeber vorteilhaft, dass, anders als bei einer arbeitsvertraglichen Implementierung, keine AGB-Prüfung erfolgt und die alleinige Grenze durch das billige Ermessen gem. §§ 106 GewO, 315 BGB gebildet wird (v. Steinau-Steinrück/Glanz, NJW-Spezial 2008, 146).

 

Rz. 5

Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber im Fall eines Verstoßes beweisen muss, dass der Arbeitnehmer von Compliance-Richtlinien Kenntnis hatte, ist es ratsam, schon bei der Bekanntgabe solcher Richtlinien die entsprechenden Weichen zu stellen. Es ist daher unbedingt sicherzustellen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers von den Compliance-Richtlinien bewiesen werden kann, denn die Beweislast in Bezug auf eine etwaige Pflichtverletzung des Arbeitnehmers obliegt dem Arbeitgeber.

 

Rz. 6

Um den Beweis der Bekanntmachung führen zu können, kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht. Am besten bietet sich hierbei eine Aushändigung der Verhaltensvorschriften gegen ein unterschriebenes Empfangsbekenntnis an. Der Arbeitnehmer ist nämlich verpflichtet, ein derartiges Empfangsbekenntnis zu unterzeichnen. Aus § 242 BGB resultiert die Pflicht des Arbeitnehmers, die Entgegennahme von Schriftstücken zu bestätigen, die für den Arbeitgeber eine verbindliche Wirkung haben.

 

Rz. 7

Eine weitere Möglichkeit stellt die Einstellung von Compliance-Regeln ins Intranet dar (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387; Vogt, NJOZ 2009, 4206, 4219). Dieser Weg ist nur dann denkbar, wenn alle Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz über einen Computer mit Intranetzugang verfügen. Sollten diese Voraussetzungen gegeben sein, ist für Aktualisierungen und Änderungen der Compliance-Vorschriften die Einstellung ins Intranet jedenfalls dann ausreichend, sofern sämtliche Arbeitnehmer mittels einer Rundmail über die modifizierte Version in Kenntnis gesetzt werden (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387). Beim Aufrufen der aktuellen Version ist es dann möglich, dem Arbeitnehmer eine elektronische Quittung abzuverlangen (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387).

 

Rz. 8

Schließlich gibt es den Weg, die Mitarbeiter mit dokumentierten Schulungen über die geltenden Compliance-Richtlinien zu informieren und mit ihnen vertraut zu machen. Eine ...

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