Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 181
Die §§ 115 ff. InsO gewährleisten, dass die Verwaltung der Masse ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung wirksam nur noch durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Nachdem der Schuldner gem. § 80 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse verloren hat, soll auch ein Dritter, der sein Recht vom Schuldner ableitet, auf die Insolvenzmasse nicht mehr einwirken können.
Rz. 182
Voraussetzung der §§ 115, 116 InsO ist, dass der Schuldner Auftraggeber bzw. Geschäftsherr ist, der Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag sich auf Gegenstände der Insolvenzmasse bezieht und bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig erledigt ist. §§ 115, 116 InsO gelten nicht für die Insolvenz des Beauftragten oder Geschäftsbesorgers.
Rz. 183
Der Beauftragte/Geschäftsbesorger ist verpflichtet, über seine bisherige Tätigkeit Rechenschaft abzulegen, vgl. § 666 BGB. Gem. § 667 BGB muss er der Insolvenzmasse alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und was er aus der Geschäftsführung erlangt hat, herausgeben. Die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit Aufwendungsersatzansprüchen gem. § 670 BGB bestimmt sich nach den §§ 94–96 InsO. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung stehen dem Beauftragten nicht zu, da es sich nicht um eine Leistungsstörung nach bürgerlichem Recht handelt und eine mit den §§ 103 Abs. 2 S. 1, 113 Abs. 1 S. 3 InsO vergleichbare Regelung in den §§ 115, 116 InsO fehlt. Wird der Beauftragte trotz Erlöschens des Auftragsverhältnisses weiter tätig, ist er gem. § 677 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln.
Rz. 184
Nach § 115 Abs. 1 InsO erlischt ein vom Schuldner erteilter Auftrag, der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
§ 115 Abs. 2 InsO enthält eine aus sich selbst heraus verständliche Regelung für (objektive) Notgeschäfte. Unabhängig von einer Notlage gelten Aufträge als fortbestehend, wenn der Beauftragte unverschuldet (§ 276 BGB) keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dann gilt der Auftrag gem. § 115 Abs. 3 InsO zu seinen Gunsten als fortbestehend. Dritte können aus der Fiktion allerdings keine Rechte an der Insolvenzmasse herleiten. Mit etwaigen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung begründeten Aufwendungsersatzansprüchen ist der Auftragnehmer aber gleichwohl nur Insolvenzgläubiger.
Rz. 185
§ 116 InsO betrifft Dienst- oder Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 BGB, mithin eine selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art in fremdem Interesse, zum Gegenstand haben. Für reine Dienst- oder Werkverträge gelten die allgemeinen Vorschriften, insbesondere die §§ 103, 108, 113 InsO.
Rz. 186
Auch Girokonten- und Kontokorrentverträge unterfallen § 116 InsO und erlöschen demgemäß mit Verfahrenseröffnung. Will der Insolvenzverwalter ein Girokonto des Erblassers fortführen, bedarf es – zumindest konkludent – eines neuen Vertragsabschlusses. Kontokorrentkonten sind auf den Stichtag der Verfahrenseröffnung zu saldieren. Verrechnungen nachträglich eingehender Gutschriften sind unwirksam.
Rz. 187
Auch fremdnützige Treuhandverhältnisse erlöschen in der Insolvenz des Treugebers; doppel- oder mehrnützige Treuhandverhältnisse bleiben hingegen bestehen, soweit sie Rechte eines Drittbegünstigten wahren.
Hinweis
Zahlungsaufträge des Schuldners bestehen grundsätzlich mit Wirkung für die Masse fort. Daher ist der Insolvenzverwalter gehalten, diese durch eine vorsorgliche globale Kündigung zu beenden. In Fällen vorläufiger Insolvenzverwaltung wird i.d.R. bereits der vorläufige Insolvenzverwalter sämtliche Aufträge des Schuldners unmittelbar nach Amtsantritt widerrufen und ungenehmigten Lastschriftbuchungen widersprochen haben.
Rz. 188
§ 117 Abs. 1 InsO bezieht sich auf vom Schuldner erteilte Vollmachten, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen und bewirkt, dass solche Vollmachten durch die Insolvenzeröffnung erlöschen. Davon erfasst ist auch die Ermächtigung eines Dritten zur Prozessführung über einen zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand. Nach Abs. 2 gilt die Vollmacht ausnahmsweise als fortbestehend, soweit ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 115 Abs. 2 InsO fortbesteht.
Solange der Bevollmächtigte die Eröffnung des Verfahrens ohne Verschulden nicht kennt, haftet er nicht nach § 179 BGB, § 117 Abs. 3 InsO.
Rz. 189
Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103–118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt sind, sind gem. § 119 InsO unwirksam.