A. Einleitung
Rz. 1
Im Rahmen der Erbauseinandersetzung sind Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge zu berücksichtigen, die nach den Vorschriften der §§ 2050 ff. BGB zur Ausgleichung zu bringen sind. Ziel der Ausgleichung ist es, die Abkömmlinge untereinander wirtschaftlich gleichzustellen. Die Lage bei Eintritt des Erbfalls soll so gestaltet werden, als würden die Gegenstände, die als ausgleichungspflichtige Vorempfänge schon zu Lebzeiten des Erblassers zugewandt worden waren, jetzt bei der Erbauseinandersetzung verteilt.
Ausgleichungspflichtige Vorempfänge verändern den Auseinandersetzungsanspruch (Teilungsquotient) aller an der Ausgleichung beteiligten Abkömmlinge. Rechnerisch werden neue Teilungsquotienten gebildet, sodass der Anteil der Abkömmlinge am auseinanderzusetzenden Nachlass nicht mehr dem Wert ihrer Erbteile entspricht. Der Teilungsquotient von Abkömmlingen, die Vorempfänge erhalten haben, liegt nach Ausgleichung regelmäßig unter ihrem Erbteil. Der Teilungsquotient der anderen Abkömmlinge dagegen steigt. Im Ergebnis modifizieren demnach ausgleichungspflichtige Vorempfänge den Auseinandersetzungsanspruch eines Miterben. Die Erbquote des Einzelnen verändert sich jedoch nicht. Für die Erbschaftsteuer sind ebenfalls die nach Ausgleichung geänderten Teilungsquotienten maßgeblich und nicht der Erbteil.
Wie oben bereits ausgeführt verschafft die Ausgleichung gemäß §§ 2050, 2052 BGB dem Ausgleichsberechtigten keinen Zahlungsanspruch, sondern führt nur zu einer Verschiebung der Teilungsquote nach § 2047 Abs. 1 BGB. Der Ausgleichsberechtigte hat dann aber ausnahmsweise einen Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, wenn Ausgleichsansprüche bei der Auseinandersetzung (versehentlich) nicht berücksichtigt worden sind.
Rz. 2
Darüber hinaus können sich ausgleichungspflichtige Vorempfänge im Sinne des § 2050 BGB wegen § 2316 BGB auch auf das Pflichtteilsrecht auswirken. Handelt es sich bei einer ausgleichungspflichtigen Zuwendung gleichzeitig auch um eine Schenkung, die innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB erfolgte, so können neben einer Ausgleichung des Weiteren auch Pflichtteilsergänzungsansprüche in Betracht kommen, wenn der Vorempfang im Rahmen des Ausgleichungsvorgangs nicht vollständig verbraucht wurde.
Rz. 3
Im Rahmen der Erbauseinandersetzung werden Vorempfänge an Abkömmlinge relevant, wenn die Zuwendung kraft Gesetzes ausgleichungspflichtig ist (§ 2050 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) oder der Erblasser bei der Zuwendung des Vorempfangs die Ausgleichungspflicht angeordnet hatte (§ 2050 Abs. 3 BGB). Sieht das Gesetz die Ausgleichung vor, spricht man von den so genannten geborenen Ausgleichungstatbeständen. Hierzu zählen die Ausstattung gem. § 1624 BGB sowie Zuschüsse zu Einkünften und Aufwendungen zum Beruf, sofern diese im Übermaß erfolgten. Hat der Erblasser die Ausgleichung eines Vorempfanges angeordnet, so spricht man von den gekorenen Ausgleichstatbeständen, da hier die Anordnung des Erblassers maßgeblich ist für die Ausgleichungspflicht des Zuwendungsempfängers. Ausgleichungspflichtige Vorempfänge sind bei der Erbauseinandersetzung immer zu berücksichtigen, unabhängig davon, wann sie erfolgten. Eine 10-Jahres-Frist wie beim Pflichtteilsergänzungsanspruch, nach deren Ablauf sie unbeachtlich würden, gibt es nicht.
B. Wirkung der Ausgleichung von Vorempfängen
Rz. 4
Wie oben bereits erwähnt führt die Ausgleichung von Vorempfängen bei der Erbauseinandersetzung zu einer Veränderung des Teilungsquotienten. Betroffen sind allerdings nur die an der Ausgleichung teilnehmenden Miterben. Die Ausgleichsverpflichtung ist eine Verrechnungsregel: der zur Ausgleichung verpflichtete Miterbe hat sich den Wert seines Vorempfangs auf seinen Auseinandersetzungsanspruch am Nachlass des Erblassers anrechnen zu lassen. Übersteigt der Vorempfang des Miterben den Wert seines Erbteils, so führt die Ausgleichung nicht zu einer Nachschusspflicht, vgl. § 2056 BGB. Der ausgleichungsverpflichtete Miterbe muss daher den theoretischen Überschuss nicht in den Nachlass zurückzahlen. Vielmehr scheidet der ausgleichungspflichtige Abkömmling mit seinem Vorempfang aus der Erbteilung aus. Der Nachlass wird unter den verbleibenden Miterben verteilt.
Rz. 5
Die Ausgleichungsvorschriften tragen dem hypothetischen Erblasserwillen Rechnung, sein gesamtlebzeitiges Vermögen gerecht unter seinen Abkömmlingen verteilen zu wollen. Will der Erblasser dieser gesetzlichen Vermutung entkommen, muss er eine abweichende Anordnung treffen. Da die Ausgleichungsvorschriften nicht zwingender Natur sind, ist dies grundsätzlich unproblematisch möglich. Lediglich im Rahmen des § 2316 Abs. 3 BGB kann der Erblasser eine kraft Gesetzes ausgleichungspflichtige Ausstattung nicht zu Lasten eines Pflichtteilsberechtigten ausschließen. Eine solche Anordnung des Erblassers entfaltet gegenüber dem Pflichtteilsberecht...