Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 44
→ Dazu Aufgaben Gruppe 12
Im Prinzip sind alle für die Berechnung der Gebühren bei Beantragung eines Versäumnisurteils notwendigen Erläuterungen bereits in den vorausgehenden Kapiteln, insbesondere in Rdn 36 ff. enthalten.
Für das Betreiben des Prozesses im ersten Rechtszug erhält der RA zunächst die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG.
Wenn dann im mündlichen Verhandlungstermin die Gegenseite nicht erscheint oder z. B. vor dem Landgericht nicht ordnungsgemäß vertreten ist, dann erhält der RA für den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG.
Beispiel:
RA Quitzow erhebt auftragsgemäß Klage wegen einer Kaufpreisforderung von 3.000,00 EUR beim Amtsgericht. Im Verhandlungstermin erscheint für den Beklagten niemand. RA Quitzow beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils, welches vom Gericht erlassen und rechtskräftig wird. RA Quitzow berechnet die folgende Vergütung:
Gegenstandswert: 3.000,00 EUR
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG |
288,60 EUR |
0,5 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nrn. 3104, 3105 VV RVG |
111,00 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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419,60 EUR |
9 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
79,72 EUR |
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499,32 EUR |
Rz. 45
Da nur eine einzige Terminsgebühr in einer Angelegenheit anfallen darf, ist Voraussetzung für die Entstehung der 0,5 Terminsgebühr, dass es bei dem einzigen Termin verbleibt, in dem das Versäumnisurteil ergangen ist. Hat der RA in diesem Verfahren noch andere Termine wahrgenommen, so erwächst ihm eine 1,2 Terminsgebühr für alle Termine insgesamt.
Beispiel:
RA Quitzow erhebt auftragsgemäß Klage wegen einer Kaufpreisforderung von 3.000,00 EUR beim Amtsgericht. Im Verhandlungstermin erscheint für den Beklagten niemand. RA Quitzow beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils, welches vom Gericht erlassen wird. Gegen das Versäumnisurteil legt der Beklagte fristgerecht Einspruch ein. Zu dem nächsten Verhandlungstermin erscheint der Beklagte und verhandelt streitig. Danach ergeht das Urteil.
RA Quitzow berechnet die folgende Vergütung:
Gegenstandswert: 3.000,00 EUR
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG |
288,60 EUR |
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG |
266,40 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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575,00 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
109,25 EUR |
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684,25 EUR |
Rz. 46
Natürlich können auch mehrere Termine vorkommen, in denen eigentlich jeweils nur eine 0,5 Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 VV RVG anfallen würde. In solchen Fällen darf Nr. 3105 VV RVG jedoch nicht angewendet werden, da nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die verminderte Terminsgebühr nur bei "Wahrnehmung nur eines Termins" entstehen kann. Das Wort "ein" vor "Termin" ist ein Zahlwort, nicht ein unbestimmter Artikel. Wenn der RA an mehreren Terminen teilgenommen hat, ist die Ausnahmeregelung der Nr. 3105 VV RVG nicht mehr anwendbar. So hat der BGH in seinem Beschluss vom 18.07.2006 (XI ZB 41/05) entschieden. Dass Nr. 3105 VV RVG eine Ausnahme vom Grundsatz der Nr. 3104 VV RVG darstellt, ergibt sich schon aus der Formulierung "Die Gebühr 3104 beträgt …". Deshalb wird ja auch – wie Sie wissen – bei Anwendung der Nr. 3105 VV RVG die Nr. 3104 VV RVG mit zitiert.
Rz. 47
Diese Überlegungen sind z. B. von Bedeutung, wenn ein RA sowohl ein erstes als auch ein "zweites" Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) erwirkt hat und demnach eine 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) erhält und nicht nur eine 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3105 VV RVG), da das "zweite" Versäumnisurteil natürlich in einem weiteren Termin beantragt worden sein muss.
Rz. 48
Hinweis:
Nach den §§ 338 ff. ZPO ist gegen ein Versäumnisurteil nur der Einspruch zulässig, aber kein Rechtsmittel wie Berufung oder Revision. Das Gericht entscheidet über den Einspruch und setzt einen Einspruchstermin an (§ 341a ZPO). Wird der Einspruch nicht als unzulässig verworfen, wird der Prozess fortgesetzt. Erscheint die Partei, die den Einspruch eingelegt hat jedoch in dem Einspruchstermin wieder nicht, ergeht ein "Zweites Versäumnisurteil" (§ 345 ZPO).
Wenn jedoch der Prozess fortgesetzt wird, handelt es sich bei dem Verfahren vor und nach dem Einspruch um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit (OLG Celle, Beschluss vom 30.05.2016 – 2 W 104/16). Weder die Verfahrensgebühr noch die Terminsgebühr können also in diesem Rechtszug zweimal entstehen.
Beispiel:
RA Quitzow erhebt auftragsgemäß Klage wegen einer Kaufpreisforderung von 3.000,00 EUR beim Amtsgericht. Im Verhandlungstermin erscheint für den Beklagten niemand. RA Quitzow beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils, welches vom Gericht erlassen wird. Gegen das Versäumnisurteil legt der Beklagte fristgerecht Einspruch ein. Zu dem Einspruchstermin erscheint der Beklagte wieder nicht, sodass sein Einspruch durch ein so genanntes zweites Versäumnisurteil verworfen wird.
RA Quitzow h...