Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 176
An dem Vermögen einer Person kann der Nießbrauch nur in der Weise bestellt werden, dass der Nießbraucher den Nießbrauch an jedem einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenstand erlangt, § 1085 BGB. Damit sind im Allgemeinen die für die Nießbrauchsbestellung an den einzelnen Gegenständen geltenden Bestimmungen anzuwenden. Der Vermögensnießbrauch kommt am häufigsten in der Form des Nießbrauchs an einem Nachlass vor, § 1089 BGB.
Rz. 177
Während die Bestellung des Nießbrauchs durch gesonderte Belastung jedes einzelnen Vermögensgegenstandes vorgenommen werden muss, kann die zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtung (die Anordnung des Nießbrauchsvermächtnisses) durch einen einheitlichen Vorgang, die Vermächtnisanordnung im Testament, erfolgen. Voraussetzung des Vermögensnießbrauchs ist u.a., dass die belasteten Gegenstände (beim Unternehmensnießbrauch zum Beispiel das Handelsgeschäft) im Wesentlichen das gesamte Vermögen des Erblassers ausmachen.
Rz. 178
Die besonderen Rechtsfolgen des Vermögensnießbrauchs betreffen hauptsächlich die Schuldenhaftung gegenüber den Gläubigern des Erblassers, §§ 1086 bis 1088 BGB. Danach können die Gläubiger, wenn ihre Forderungen vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen. Mit dieser Regelung soll eine Gefährdung der Gläubiger ausgeschaltet werden; denn andernfalls würde der Nießbraucher aufgrund seines dinglichen Rechts das Vermögen des Erblassers und damit die Haftungsgrundlage dem Zugriff der Gläubiger entziehen.
Rz. 179
Weiterhin modifizieren Bestimmungen des Vermögensnießbrauchs das Innenverhältnis zwischen Nießbraucher und Besteller (Erben). Ansonsten gelten die Bestimmungen über den Nießbrauch an dem einzelnen belasteten Gegenstand (Sache bzw. Recht); der Nießbrauch am Vermögen gewährt also keine besonderen Rechte. Ein einmal bestellter Nießbrauch dauert auch dann fort, wenn der Gegenstand aus dem Vermögen ausscheidet. Umgekehrt ist der Nießbrauch für neu in das Vermögen gelangende Gegenstände gesondert zu bestellen.
Rz. 180
Auch auf den – praktisch bedeutsamen – Nießbrauch an einer Erbschaft sind gemäß § 1089 BGB die Vorschriften über den Vermögensnießbrauch entsprechend anzuwenden. Zu unterscheiden ist der Nießbrauch an der Erbschaft, das heißt an sämtlichen Nachlassgegenständen, und der Nießbrauch an (einzelnen oder sämtlichen) Erbteilen. Durch die Bestellung des Nießbrauchs an Erbteilen entsteht ein Nießbrauch an Rechten, nicht automatisch ein Nießbrauch an der Erbschaft.
Rz. 181
Auf der Grundlage der Vermächtnisanordnung zugunsten des Nießbrauchers ist der Erbe verpflichtet, den Nießbrauch entsprechend § 1085 BGB an jedem einzelnen zum Nachlass gehörenden Gegenstand zu bestellen. Gehören höchstpersönliche Rechte zum Nachlass (beispielsweise Gesellschaftsrechte, die nicht übertragbar sind), so ist die Anordnung des Vermächtnisses für diese Teile des Nachlasses unwirksam, § 1069 Abs. 2 BGB. Jedoch wird der Erbe in der Regel verpflichtet sein, dem Nießbraucher zumindest die Nutzung der Rechte – auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Nutzungsrechts – zu überlassen.
Beim Erbschaftsnießbrauch sind Gläubiger im Sinne der §§ 1086, 1088 BGB nur die Nachlassgläubiger, nicht auch die persönlichen Gläubiger des Erben.