Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 412
Ebenso wie beim Einzeltestament kann die Alleinerbeneinsetzung des Ehegatten sowohl in Form der Vollerbschaft als auch im Wege der Vor- und Nacherbschaft erfolgen. Ersteres wird auch Einheitslösung genannt, während Letzteres aufgrund der Entstehung von zwei getrennten Vermögensmassen beim Überlebenden als Trennungslösung bezeichnet wird.
Rz. 413
Bei der Vollerbenlösung setzen die Ehegatten sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein (Berliner Testament). Dies hat zur Folge, dass das Vermögen des Erstversterbenden in das Vermögen des Überlebenden übergeht und zu einer einheitlichen Vermögensmasse "verschmilzt". In der Verfügung für den zweiten Todesfall sollte dann bestimmt werden, was nach dem Tod des Überlebenden damit geschehen bzw. an wen das einheitliche Vermögen fallen soll (Schlusserbfolge).
Rz. 414
Nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB wird "im Zweifel" von einer Vollerbeneinsetzung des Überlebenden ausgegangen, wenn die Ehegatten sich in ihrem Testament gegenseitig als Erben eingesetzt und bestimmt haben, dass nach dem Tod des Überlebenden der Nachlass an einen Dritten fallen soll. Nach Ansicht des OLG Köln ist jedoch vorrangig eine Auslegung nach § 133 BGB vorzunehmen.
Rz. 415
Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der Verfügung für den ersten Todesfall alle testamentarischen Gestaltungsmittel, die dem Testierenden auch beim Einzeltestament zur Verfügung stehen, zum Einsatz kommen können. Es sollte somit auch bestimmt werden, ob nach dem Tod des Erstversterbenden zusätzlich Vermächtnisse ausgesetzt werden oder ob bspw. Auflagen zu erfüllen sind.
Rz. 416
Die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung ist aus erbschaftsteuerlicher Sicht bei Vermögen jenseits der persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG ungünstig, weil den Abkömmlingen dadurch die Möglichkeit der Ausnutzung ihrer Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil genommen wird. Dies hatte in der Praxis dazu geführt, dass bei größeren Vermögen zugunsten der Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden bereits Vermächtnisse in bestimmter Höhe (Pflichtteil oder gesetzlicher Erbteil) ausgesetzt wurden, die jedoch erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten fällig werden sollten, um ihn nicht mit der Auszahlung der Vermächtnisse zu belasten. War die erbschaftsteuerliche Anerkennung dieser Gestaltung schon früher zweifelhaft, hat der Gesetzgeber durch das ErbStRG 2009 beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen den Nacherbschaften gleichgestellt, § 6 Abs. 4 ErbStG. Sie sind daher als Erwerb vom überlebenden Elternteil zu versteuern, ohne dass beim Erwerb vom Erstversterbenden oder vom Letztversterbenden eine Vermächtnislast abgezogen werden kann. Die Finanzverwaltung gesteht allerdings den Abzug einer Erblasserschuld beim Tod des Überlebenden zu.
Rz. 417
Dessen ungeachtet bleibt die Möglichkeit, zugunsten der Kinder Geld- oder Sachvermächtnisse nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils anzuordnen, deren Fälligkeit nicht an den Tod des Überlebenden geknüpft ist.
Rz. 418
Bei der Trennungslösung wird der überlebende Ehegatte hingegen (meist befreiter) Vorerbe, und die Abkömmlinge der Ehegatten (oder Dritte) werden als Nacherben eingesetzt. Es kommt hier nicht, wie bei der Einheitslösung, zu einer Verschmelzung beider Vermögensmassen.
Der Überlebende erhält das Vermögen des Erstversterbenden als Vorerbenvermögen und hat daneben sein gesondertes Eigenvermögen. Bei der Verfügung für den ersten Todesfall ist also zugleich die Nacherbenregelung zu treffen, während in der Verfügung für den zweiten Todesfall nur noch bezüglich des Eigenvermögens des überlebenden Ehegatten eine Regelung für den Schlusserbfall getroffen werden kann.
Rz. 419
Die Ehegatten haben bei der Ausgestaltung der Vorerbschaft ebenso wie beim Einzeltestament die Möglichkeiten der Befreiung von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB.
Rz. 420
Hinweis
Aus steuerlicher Sicht ist die Vor- und Nacherbschaft ungünstig, da nach § 6 Abs. 1, 2 ErbStG sowohl der Anfall der Erbschaft beim Vorerben als auch beim Nacherben besteuert wird.
Rz. 421
Die Vor- und Nacherbschaft kann auch aus zivilrechtlicher Sicht ungünstig sein, weil der Vorerbe Verfügungsbeschränkungen unterliegt, was in der Praxis häufig zu Differenzen mit den Nacherben führt.
Rz. 422
Da der überlebende Ehegatte bei der Trennungslösung nicht zum unbeschränkten Vollerben eingesetzt wird, sollte in jedem Fall bei der Gestaltung des Testaments die Frage aufgeworfen werden, ob der Längstlebende im Wege des Vorausvermächtnisses zumindest den Hausrat und die sonstigen persönlichen Gegenstände (einschließlich des Pkw) des Erstversterbenden erhalten soll und ihm diese dann zur unbeschränkten Verfügung stehen (§ 2110 Abs. 2 BGB). Man spricht hierbei auch von einem sogenannten Hausratsvermächtnis.
Rz. 423
Als eine weitere Konstellation kann bei einem Ehegattentestament die sogenannte Nießbrauchslösung in Betracht kommen. Bei der Nießbrauchslösung werden regelmäßig die Kinder de...