Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 160
Der Nießbraucher hat das Recht, sämtliche Nutzungen aus dem belasteten Gegenstand zu ziehen. Er ist zum Besitz der Sache berechtigt, § 1063 Abs. 1 BGB. Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des Nießbrauchs, so wird der Nießbraucher Eigentümer dieser Sachen, § 1067 BGB ("uneigentlicher Nießbrauch").
Rz. 161
Das Verfügungsrecht über den belasteten Gegenstand steht dem Nießbraucher im Allgemeinen nicht zu. Ausnahmen sind die Fälle, in denen der Nießbraucher Eigentümer wird, nämlich beim "uneigentlichen Nießbrauch" sowie bei Sachfrüchten, die mit der Trennung von der mit dem Nießbrauch belasteten Sache Eigentum des Nießbrauchers werden. Außerdem hat der Nießbraucher im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaft ein Verfügungsrecht über einzelne Stücke eines Inventars, das zusammen mit einem Grundstück Gegenstand des Nießbrauchs ist, § 1048 BGB. Diese Vorschrift wird auch auf andere Sachinbegriffe angewandt, beispielsweise auf das Zubehör eines Handelsgeschäfts.
Rz. 162
Eine über die gesetzlichen Ausnahmefälle hinausgehende Verfügungsbefugnis des Nießbrauchers über den belasteten Gegenstand (sog. "Dispositionsnießbrauch") kann nicht mit dinglicher Wirkung als Inhalt des Nießbrauchsrechts vereinbart werden. Möglich ist es jedoch, dem Nießbraucher eine transmortale bzw. postmortale Vollmacht zur Verfügung über den betreffenden Gegenstand zu erteilen oder ihn zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Gerade die Kombination Nießbrauch und Testamentsvollstreckung für den überlebenden Ehegatten wird als Gestaltungselement in gemeinschaftlichen Testamenten und Ehegattenerbverträgen in Zukunft aus erbschaftsteuerlichen Gründen wieder an Bedeutung gewinnen. Das gilt vor allem nach Wegfall des § 25a ErbStG aF.
Rz. 163
Die wirtschaftliche Bestimmung, die der Eigentümer der Sache beigelegt hat, darf vom Nießbraucher allenfalls teilweise verändert werden, § 1036 Abs. 2 BGB. Für die wirtschaftliche Bestimmung ist der Zeitpunkt der Bestellung maßgebend. Streitig ist, ob objektive Umstände oder der subjektive Wille des Eigentümers die wirtschaftliche Bestimmung festlegen. Der Erblasser kann allerdings in der Verfügung von Todes wegen dem Nießbrauchsvermächtnisnehmer Befugnisse zur Änderung der wirtschaftlichen Bestimmung einräumen.
Rz. 164
Der Nießbraucher hat "nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu verfahren", § 1036 Abs. 2 BGB. Die Regeln ordnungsmäßiger Verwaltung sind nach objektiven Grundsätzen zu bestimmen. Zieht der Nießbraucher Früchte aufgrund ordnungswidriger Wirtschaftsführung oder übermäßiger Nutzung der Sache, so hat er insoweit dem Eigentümer bei Beendigung des Nießbrauchs den Wert der Früchte zu ersetzen, § 1039 BGB. Umgekehrt hat der Nießbraucher Veränderungen oder Verschlechterungen nicht zu vertreten, die durch ordnungsmäßige Nießbrauchsausübung entstanden sind, § 1050 BGB.