Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 106
Als weiteres "Aufteilungswerkzeug" kann neben dem Vorausvermächtnis und der Teilungsanordnung auch ein sogenanntes Übernahmerecht angeordnet werden. Unter einem Übernahmerecht versteht man die Zuweisung eines bestimmten Nachlassgegenstandes an einen Miterben mit der Bestimmung, dass dieser das Recht haben soll, den betreffenden Gegenstand zum Verkehrswert oder zu einem vom Erblasser festgesetzten Übernahmepreis aus dem Nachlass zu entnehmen. Mit der Anordnung eines Übernahmerechts kann der Erblasser die Entscheidung, ob er den für ihn zunächst bestimmten Gegenstand erhalten will, dem Bedachten selbst überlassen. Das Übernahmerecht kann grundsätzlich sowohl eine Teilungsanordnung als auch ein Vermächtnis sein.
Rz. 107
Bei der Konstruktion des Übernahmerechts als Vorausvermächtnis wird der betreffende Nachlassgegenstand unter der aufschiebenden Bedingung vermacht, dass der Vermächtnisnehmer sein Übernahmerecht ausübt. Ein Vorausvermächtnis wird also dann vorliegen, wenn ein entsprechender Begünstigungswille des Erblassers besteht, wobei der BGH den Vermögensvorteil bereits in der Wahlmöglichkeit sieht, den Übernahmegegenstand anzunehmen oder nicht.
Das Übernahmerecht unterscheidet sich von der reinen Teilungsanordnung dadurch, dass der Miterbe beim Übernahmerecht nicht verpflichtet ist, den zugewandten Gegenstand zu übernehmen, sondern frei über eine eventuelle Übernahme entscheiden kann. Der Unterschied zum Vermächtnis an sich liegt darin, dass der Übernahmeberechtigte, was aber nicht zwingend ist, in der Regel einen bestimmten Wertausgleich in den Nachlass zu leisten hat.
Rz. 108
Der Erblasser kann auch den Übernahmepreis bereits selbst festlegen. Allerdings tritt dann ein Problem auf, wenn sich die Differenz zwischen Verkehrswert und dem vom Erblasser bereits festgelegten Übernahmepreis bis zum Eintritt des Erbfalles entscheidend geändert hat. Der BGH sieht die Möglichkeit, dem über den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abzuhelfen.
Ordnet der Erblasser ein Übernahmerecht zu einem wesentlich günstigeren Preis als dem Verkehrswert an, dann sollte klargestellt werden, dass der über den gezahlten Preis hinausgehende Betrag zusätzlich als Vorausvermächtnis zugewandt wird.
Rz. 109
Grundsätzlich sollte bei der Anordnung eines Übernahmerechtes auch der Zeitpunkt festgelegt werden, bis zu welchem das Recht ausgeübt werden kann (auflösend bedingt). Andernfalls besteht die Gefahr, dass auch nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Erfüllung des Vermächtnisses verlangt werden kann (gleiches gilt allerdings auch bei Anordnung eines sonstigen Vorausvermächtnisses).
Rz. 110
Wird das Übernahmerecht als Teilungsanordnung qualifiziert, ist es für den Bedachten bindend. Weist der bedachte Miterbe den Gegenstand des Übernahmerechts zurück, hat er keinen Anspruch, stattdessen einen anderen Gegenstand aus dem Nachlass zu erhalten.
Bei der Qualifikation als Teilungsanordnung ist außerdem zu beachten, dass der Übernehmer die Übertragung des Gegenstandes nur im Rahmen der Gesamtauseinandersetzung verlangen kann, während dies beim Vorausvermächtnis schon früher möglich ist.