Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 144
Der Erblasser braucht einem Vermächtnisnehmer nicht zwingend ein dingliches Vollrecht zuzuwenden; er kann einer Person auch alle beschränkten dinglichen Rechte, die das Sachenrecht kennt, einräumen. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Nießbrauchsvermächtnis, das auch eine steuergünstige Alternative zur nicht befreiten Vorerbschaft darstellt.
Häufig sind es die Fälle, in denen die Versorgung eines nahen Verwandten oder des Ehegatten bzw. des eingetragenen Lebenspartners (vgl. hierzu § 34) sichergestellt werden soll (Versorgungsnießbrauch). Damit sollen die Lebensumstände des hinterbliebenen Ehegatten besser gesichert werden als es durch das gesetzliche Erbrecht möglich ist. Gleichzeitig wird damit die Unabhängigkeit des überlebenden Ehegatten von den Kindern gewährleistet. In dieser Variante kommt ein Nießbrauch am gesamten Nachlass, an den Erbteilen der Abkömmlinge oder an wesentlichen Nachlassteilen in der Praxis häufig vor. Erwähnt sei hier insbesondere das sog. "Württembergische Modell", wonach der überlebende Ehegatte auf Lebenszeit die Nutzungen am Vermögen des Erstversterbenden erhält. Hierzu werden dessen Erben – die gemeinsamen oder einseitigen Kinder des Erstversterbenden – mit einem Nießbrauchsvermächtnis an ihren Erbteilen beschwert. Zur Sicherung der Rechtsposition des überlebenden Ehegatten wird dieser zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass berufen.
Nießbrauchsberechtigt kann eine natürliche oder eine juristische Person sein.
Hinweis
Durch die Belastung eines Gegenstandes mit einem Nießbrauch oder einem anderen Nutzungsrecht (ob dinglich oder schuldrechtlich) wird dieser Gegenstand rein faktisch kaum mehr veräußerbar.
Rz. 145
Vom dinglichen Nießbrauch ist der schuldrechtliche, lediglich obligatorisch wirkende Nießbrauch zu unterscheiden. Der Rechtsgestalter muss deshalb klarlegen und zuvor mit dem Erblasser ausführlich erörtern, ob es sich bei dem eingeräumten Nießbrauch um ein beschränktes dingliches Recht handeln soll oder lediglich um ein schuldrechtliches Nutzungsrecht. Einkommensteuerrechtlich werden schuldrechtlicher Nießbrauch und dinglicher Nießbrauch grundsätzlich gleich behandelt. Der (unentgeltliche) Zuwendungsnießbrauch ist steuerlich gegenüber dem Vorbehaltsnießbrauch häufig nachteilig. Es kann daher überlegenswert sein, dem künftigen Nießbraucher zunächst das Eigentum an dem Gegenstand über ein Vermächtnis zu verschaffen und ihm über ein Untervermächtnis die Rückverschaffung des Eigentums an den Erben aufzuerlegen mit dem Recht, sich den Nießbrauch an dem Untervermächtnisgegenstand vorzubehalten. Die Finanzverwaltung mag allerdings diese Gestaltung als missbräuchlich einordnen (§ 42 AO).