Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
1. Allgemeines
Rz. 629
Häufig wird der Anwalt mit der Frage konfrontiert, ob es nicht sinnvoll ist, bereits zu Lebzeiten einzelne Vermögensgegenstände auf Kinder zu übertragen. Hierbei spielt nicht nur die Vorstellung, Steuern zu sparen eine Rolle, sondern oftmals auch der Wunsch des Übergebers, den Übernehmer im Verhältnis zu den anderen Erben bevorzugt zu behandeln und mögliche Pflichtteilsansprüche zu reduzieren.
Rz. 630
Daneben können aber auch eine Vielzahl anderer Gründe für eine derartige Übertragung vorliegen, wie die Absicherung einer späteren Pflege, die gerechte Verteilung zu Lebzeiten, damit später kein Streit unter den Kindern entsteht, oder bei der Zuwendung von Grundstücken, Wohnungen und Häusern die Ermöglichung der vorzeitigen Schaffung eines Eigenheims.
Rz. 631
Bei noch jüngeren Übergebern steht häufig die steuerliche Überlegung dahingehend im Vordergrund, die Freibeträge nach dem ErbStG alle zehn Jahre nutzen zu können, § 14 Abs. 1 ErbStG. Dieser sog. Dekadentransfer ist die ideale Gestaltungsmöglichkeit, um größere Vermögen möglichst ohne Steuerbelastung auf die nächste Generation zu übertragen.
Rz. 632
Hinweis
Im Rahmen der Beratung des Mandanten bezüglich einer lebzeitigen Übertragung spielen drei bedeutende Gesichtspunkte eine Rolle:
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das mehrmalige Ausnutzen der steuerlichen Freibeträge |
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die Reduzierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch Vereinbarung von Auflagen und Gegenleistungen |
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die Vermeidung von Ansprüchen des Sozialhilfeträgers (Sozialhilferegress). |
2. Schenkungsteuerliche Gesichtspunkte der Übertragung
Rz. 633
Steuerlich gilt bei gemischten Schenkungen sowie bei Schenkungen unter Auflage entsprechend § 10 Abs. 1 S. 1, 2 ErbStG als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten, soweit sie der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt. Die Bereicherung wird ermittelt, indem von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistung-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden.
Rz. 634
Das gilt insbesondere für vorbehaltene Nießbrauchs- und Wohnungsrechte, für die der Kapitalwert gemäß §§ 12 ErbStG, 14 Abs. 1 BewG aus dem Jahreswert multipliziert mit einem Vervielfältiger – jedoch gemäß § 16 BewG auf den 18,6-ten Teil des Steuerwerts des belasteten Objekts selbst gedeckelt – zu ermitteln ist. Die Vervielfältiger orientieren sich an der jeweils aktuellen Sterbetafel (§ 14 Abs. 1 S. 2 BewG) und werden durch das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht (§ 14 Abs. 1 S. 4 BewG).
Rz. 635
Bis zum 31.12.2008 galt bei Nutzungs- und Duldungsauflagen für den Schenker oder dessen Ehegatten dagegen noch ein Abzugsverbot gemäß § 25 ErbStG a.F. Danach unterlag die gesamte Zuwendung der Schenkungsteuer; der auf den Kapitalwert der Nutzungs- oder Duldungsauflage entfallende Teil war jedoch bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden bzw. konnte auf Antrag des Erwerbers mit seinem Barwert abgelöst werden. Dies kann bei Altverträgen noch eine Rolle spielen.
Rz. 636
Gemäß § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG können sich Nutzungsrechte als Grundstücksbelastung jedoch nur einmal mindernd auswirken. Wurde die Grundstücksbelastung durch das Nutzungsrecht bereits im Rahmen von § 198 BewG bei der Ermittlung des Wertes des Grundbesitzes berücksichtigt, darf das Nutzungsrecht nicht (nochmals) in Abzug gebracht werden.
Rz. 637
Zu beachten ist ferner, dass Schenkungen unter Auflage nach § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG zum Anfall von Grunderwerbsteuer führen können, soweit sie bei der Schenkungsteuer abziehbar sind und nicht ein anderer Fall einer Ausnahme von der Besteuerung nach dem GrEStG vorliegt.
3. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch
Rz. 638
Erfolgt die Übertragung einer Immobilie vorwiegend aus dem Grund, den Nachlass und etwaige Pflichtteilsansprüche anderer Abkömmlinge zu reduzieren, dann ist darauf zu achten, dass es sich möglichst um ein entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Im Rahmen der Übergabe hat der BGH entschieden, dass sowohl die echte Gegenleistung als auch eine Auflage bei der Bemessung des Wertes, der dem Pflichtteilsergänzungsanspruch zugrunde zu legen ist, in Abzug zu bringen ist. Der BGH macht insoweit für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs keinen Unterschied zwischen Auflage und echter Gegenleistung.
Rz. 639
Nicht vergessen darf man, dass im Rahmen lebzeitiger Übertragungen die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen ist. Hierzu hat der BGH für den Nießbrauchsvorbehalt schon lange entschieden, dass die Frist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch dann nicht zu laufen beginnt, wenn der Übergeber sich tatsächlich nicht von den Vorteilen und dem wirtschaftlichen Nutzen des übergebenen Gegenstandes getrennt hat. Inwieweit diese Grundsätze auch für ein (sich ggf. nur auf einzelne Gebäudet...