Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
Rz. 261
Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an den im OECD-MA enthaltenen Regelungen, von denen die zwischen den im Einzelfall relevanten Staaten geschlossenen DBA nicht unwesentlich abweichen können. Daher ist in jedem Fall das jeweils einschlägige bilaterale Abkommen für die zutreffende Würdigung eines konkreten Sachverhalts heranzuziehen. Zu beachten ist ferner, dass die DBA den beteiligten Staaten lediglich ein Besteuerungsrecht zuweisen, diesen jedoch keine Besteuerungspflicht auferlegen. Vielmehr kann der berechtigte Staat sein Besteuerungsrecht durch explizite Freistellung der Einkünfte oder, indem er keinen Besteuerungstatbestand vorsieht, in seinem nationalen Steuerrecht ungenutzt lassen. Aus diesem Grund stellen auch die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und Lizenz-Richtlinie sowie deren Umsetzung in die nationalen Steuerrechtsordnungen keinen Verstoß gegen die DBA dar.
Rz. 262
Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Dividenden, Lizenzentgelte und Zinsen liegt gem. Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 OECD-MA bei dem Staat, in dem der Empfänger der Zahlungen ansässig ist. Dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsverpflichteten steht jedoch gem. Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 OECD-MA außer für Lizenzentgelte grundsätzlich ein Recht zum Steuerabzug an der Quelle zu. Dieses Recht wird zum Teil durch die Mutter-Tochter-Richtlinie und die Zins- und Lizenz-Richtlinie eingeschränkt.
Rz. 263
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, zu denen diejenigen aus der Vermietung und Verpachtung von Immobilien ebenso wie die aus Land- und Forstwirtschaft (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA) gehören, kann gem. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA regelmäßig der Staat besteuern, in dem das Vermögen sich befindet (sog. Belegenheitsstaat). Das gilt selbst dann, wenn das Vermögen zu einem Unternehmen gehört (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA).
Rz. 264
Die Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S.d. Art. 6 OECD-MA können gem. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA gleichfalls nur im Belegenheitsstaat besteuert werden.
Rz. 265
Für den Fall, dass bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte veräußert wird, weist Art. 13 Abs. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat zu, also dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt. Das gilt auch für den Fall, dass die gesamte Betriebsstätte, ggf. im Rahmen der Veräußerung des gesamten Unternehmens, Gegenstand einer Veräußerung ist. Im Ergebnis ist daher der Veräußerungsgewinn bei Veräußerung einer ganzen Betriebsstätte bzw. ihres Trägerunternehmens aufzuteilen: Soweit der Gewinn auf unbewegliches Vermögen entfällt, finden Abs. 1 bzw. 5 des Art. 13 OECD-MA Anwendung, während Abs. 2 bzw. 5 für den auf das bewegliche Vermögen entfallenden Gewinn gelten. Streitig ist demgegenüber, ob der auf Umlaufvermögen entfallende Veräußerungsgewinn Art. 7 OECD-MA oder Art. 13 Abs. 2 OECD-MA unterfällt.
Rz. 266
Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, deren Wert zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar (insbesondere, indem die jeweilige Gesellschaft Beteiligungen an Untergesellschaften hält, die unbewegliches Vermögen besitzen) auf unbeweglichem Vermögen beruht (Immobiliengesellschaften), können nach Art. 13 Abs. 4 OECD-MA in dem Staat der Belegenheit der Immobilien besteuert werden. Insoweit kommt es nicht auf die Höhe der veräußerten Beteiligung an der Immobiliengesellschaft an. Auch braucht es sich nicht um eine Gesellschaft zu handeln, die sich im Wesentlichen mit dem Erwerb, der Errichtung und dem Handel von Immobilien beschäftigt. Es ist vielmehr ausreichend, dass ihr Vermögen im Wesentlichen aus Immobilien besteht; das trifft z.B. auf Gesellschaften zu, die Hotels betreiben.
Rz. 267
Für Gewinne aus der Veräußerung des in den Abs. 1 bis 4 des Art. 13 OECD-MA nicht genannten übrigen Vermögens, also insbesondere auch von Anteilen an Gesellschaften (außer als steuerlich transparent zu beurteilende Personengesellschaften), können dagegen gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden.