Rz. 15

Stellt sich für den Kläger während des Verfahrens heraus, dass er z.B. die falsche Person verklagt hat, dass er statt einer Auskunft nunmehr Zahlung beanspruchen möchte oder dass er für sein Klageziel einen anderen Antrag ankündigen muss, dann sollte er seine Klage ändern. Als Klageänderung kommen prozessuale Änderungen des Streitgegenstands (objektive Klageänderung, d.h. Änderung des Klageantrags oder des Klagegrunds) oder in der Person der Prozessparteien (subjektive Klageänderung) in Betracht. Eine solche ist grundsätzlich unter den einschränkenden Voraussetzungen nach § 263 ZPO möglich: Als Prozessvoraussetzung für die Klageänderung muss der Beklagte zustimmen oder das Gericht muss die Änderung für sachdienlich halten. Wenn nicht mit der Einwilligung des Prozessgegners gerechnet werden kann, ist die Sachdienlichkeit der beabsichtigten Klageänderung darzulegen. Die Klageänderung könnte auch noch in der Berufungsbegründung vorgenommen werden, sofern der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt wird und das Berufungsgericht denselben entscheidungsreifen Tatsachenvortrag erster Instanz ohne Beweisaufnahme zugrunde legen kann.[3]

 

Rz. 16

Sachdienlichkeit ist ein durch die objektive Prozesslage bedingter prozessualer Begriff, dessen Beurteilung dem pflichtgebundenen Ermessen des Gerichts unterliegt. Eine Überprüfung der Sachdienlichkeit durch das Rechtsmittelgericht kommt nach § 268 ZPO nur bei Nichtzulassung der Klageänderung in Betracht, und eine Nichtzulassung wäre dann auch nur daraufhin überprüfbar, ob die Grenze des Ermessens überschritten wurde.

 

Rz. 17

Sachdienlichkeit ist gegeben, wenn:

ein neuer Rechtsstreit vermieden und das bisherige Prozessergebnis verwertet werden kann,
eine Verfahrensaussetzung verhindert wird,
die sachliche Erledigung des Rechtsstreits gefördert wird,
der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt.
 

Rz. 18

Die Sachdienlichkeit fehlt u.a.

beim Übergang vom Arrest zur einstweiligen Verfügung und umgekehrt,
wenn der Kläger einen völlig neuen Streitstoff vorträgt,
wenn der Kläger prozessual einen Zeugen ausschalten will,
wenn der bisherige Prozess bereits entscheidungsreif ist, also eine neue oder zusätzliche Beweisaufnahme stattfinden müsste.
 

Rz. 19

Bevor sich der Rechtsanwalt aber um die Zustimmung des Gegners bemüht oder Ausführungen zur Sachdienlichkeit macht, sollte feststehen, dass wirklich eine Klageänderung gegeben ist.

 

Rz. 20

Keine Klageänderung besteht nach § 264 ZPO, wenn der eigentliche Grund der Klage nicht geändert wird. Diese Konstellation ist in den nachfolgenden Fällen gegeben:

Der Klageantrag wird erweitert oder beschränkt; das gilt sowohl für Haupt- als auch Nebenforderungen, § 264 Nr. 2 ZPO. Dabei kann zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Änderung unterschieden werden:

Eine quantitative Änderung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrunds ist beispielweise gegeben, wenn die zunächst auf einen Teilbetrag der Forderung beschränkte Klage auf den Gesamtbetrag ausgedehnt wird.

Beispiele für qualitative Änderung des Antrags bei gleichbleibendem Klagegrund sind u.a.:

ein Zahlungsantrag statt eines Auskunftsantrags,[4]
der Übergang vom nicht bezifferten Hauptantrag der Stufenklage auf einen bezifferten Zahlungsantrag,[5]
eine Zug-um-Zug-Leistung statt einer unbedingten Zahlung,
die Leistung an den Rechtsnachfolger anstatt an den Kläger,[6]
ein Leistungsantrag anstatt eines Feststellungsantrags oder umgekehrt,[7]
ein Antrag auf Rechnungslegung anstatt eines Feststellungsantrags[8] oder eines Leistungsantrags oder umgekehrt,
künftige statt sofortige Leistung,[9]
eine Bruchteilshaftung als Ersatz für eine Gesamtschuld,
ein Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung anstelle eines Zahlungsantrags[10] oder
ein Hinterlegungsantrag für einen Zahlungsantrag.

Die Forderung des Surrogats tritt an die Stelle des ursprünglich geforderten Gegenstands, soweit der Anlass für die Antragsänderung nach der Rechtshängigkeit des ursprünglichen Anspruchs entstand und der Klagegrund nach § 263 ZPO derselbe bleibt. Gleichgültig ist dabei, ob der Anlass erst später entstand (z.B. Untergang der herausverlangten Sache) oder dem Kläger (selbst infolge Fahrlässigkeit) erst später bekannt wurde. Wer die Veränderung herbeigeführt hat, ist belanglos.[11]

 

Rz. 21

Die Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ist ohnehin unschädlich, solange der Klagegrund nach § 263 ZPO der gleiche bleibt (z.B. die Substantiierung des Anspruchs, die Berichtigung der Parteibezeichnung oder das Benennen der hinter einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft stehenden natürlichen Personen).[12]

 

Rz. 22

Der Beklagte muss der Klageänderung spätestens zu Beginn seines Verhandelns im Termin widersprechen, wenn das Gericht die Änderung nicht ohnehin schon zugelassen hat.

[3] Zu den Voraussetzungen vgl. Zöller/Greger, 33. Aufl. 2020, § 263 ZPO Rn 11b.
[4] BGH, Urt. v. 8.11.1978 – VIII ZR 199/77...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?