Rz. 57

Streitverkündung ist die Benachrichtigung eines an einem Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten[27] (Streitverkündungsempfänger, Streitverkündeter) vom Schweben des Prozesses, um ihm die Möglichkeit der Prozessbeteiligung oder -übernahme zu geben (§§ 74 Abs. 1, 67 ZPO) und um sich selbst den nachfolgenden Rückgriffsprozess gegen den Dritten wegen § 68 ZPO zu erleichtern. Wirkung der Streitverkündung ist nach § 74 i.V.m. § 68 ZPO, dass der Streitverkündete im Verhältnis zur streitverkündenden Hauptpartei nicht mit der Behauptung gehört werden kann, der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden werden. Der Streitverkündete kann deshalb zur Unterstützung einer Partei des Rechtsstreits als Nebenintervenient beitreten. Zur Interventionswirkung hat der BGH entschieden:[28]

Zitat

"Die Interventionswirkung der Streitverkündung bindet das Gericht nur in einem Rechtsstreit zwischen dem Dritten, dem der Streit verkündet war, und der Partei, die den Streit verkündet hatte. Gegenüber dem früheren Prozessgegner der streitverkündenden Partei kann der Dritte ohne Einschränkungen einwenden, der Vorprozess sei falsch entschieden worden."

 

Rz. 58

Einer Streitverkündung liegt regelmäßig folgende Konstellation zugrunde: Drei Personen sind direkt oder indirekt von einem Rechtsverhältnis betroffen. Zwei Personen davon tragen einen Rechtsstreit aus. Es könnte nun sein, dass der Kläger verliert und deshalb einen zweiten Prozess gegen den Dritten führen will. Dieser soll im Folgeprozess nicht einwenden können, der Prozess sei falsch entschieden oder mangelhaft geführt worden und nur deshalb werde er jetzt in Regress genommen. Um das zu verhindern, kann dem Dritten daher schon im Ausgangsprozess der "Streit verkündet" werden. Damit wird also vermieden, dass der Mandant in einem zweiten Prozess mit einer Begründung unterliegt, die dem ersten Urteil widerspricht.

 

Rz. 59

Die Streitverkündung hat für den Kläger außerdem den Vorteil, dass die Verjährung von Ansprüchen gegen den Dritten gehemmt wird, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB.

 

Rz. 60

Der Streitverkündete muss in der Lage sein, den bisherigen Prozessgang nachzuverfolgen. Der Streitverkündungsschrift sind daher alle wesentlichen Schriftstücke beizufügen, des Weiteren, soweit diese schon vorliegt, die Ladung zum Termin. Zum Zwecke der Streitverkündung muss gemäß § 73 S. 1 ZPO ein dem Streitverkündungsempfänger zuzustellender Schriftsatz eingereicht werden, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben sind.

 

Formulierungsbeispiel:

Zitat

In pp. wird Herrn […] (Name, Adresse) der Streit mit der Aufforderung verkündet, auf Seiten des Klägers beizutreten.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld aus unerlaubter Handlung in Anspruch. Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die beigefügte Klage Bezug genommen. Der Beklagte hat sich damit verteidigt, nicht er, sondern der Streitverkündungsempfänger habe den Kläger mit der Faust geschlagen. Sollte der Kläger deshalb den Rechtsstreit verlieren und die Klage abgewiesen werden, würde eine Haftung des Streitverkündungsempfänger in Betracht kommt.

Das Gericht hat Termin zur Güteverhandlung und ggf. im Anschluss daran Termin zur mündlichen Verhandlung auf […] anberaumt.

Für den Streitverkündeten werden zur Zustellung folgende Unterlagen überreicht:

Klage vom […] nebst Anlagen
Klageerwiderung vom […]
Terminladung […]
 

Rz. 61

Im Ausgangsprozess prüft das Gericht nicht, ob die Streitverkündung zulässig ist.[29] Tritt der Streitverkündete nicht bei, wird der Prozess ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt, § 74 Abs. 2 ZPO. Er erhält keine Schriftsätze, keine Terminladungen und kein Urteil, so dass er auch nicht weiß, ob es sinnvoll wäre, Berufung einzulegen. Für den Dritten kann sich das Nichtbeitreten später nachteilig auswirken. Kommt es zu einem Folgeprozess, prüft dieses Gericht erst dann die Zulässigkeit der Streitverkündung, also ob der erste Prozess für den Dritten verbindlich ist.

 

Rz. 62

Die Partei, die den Streit verkünden möchte, kann mit dem Dritten auch einen Streitverkündungsvertrag vereinbaren, so dass die Wirkungen der Streitverkündung auch ohne Kenntnis des Gegners eintreten. Damit gibt der Kläger gegenüber dem Beklagten und dem Gericht nicht zu erkennen, dass er bereits jetzt seine Klageaussichten in der Weise kritisch sieht, dass es vielleicht noch auf einen Regressprozess ankommen wird. Auch der Dritte kann sich bedeckt halten.

 

Rz. 63

Der Dritte wird einen Beitritt in folgenden Fällen kritisch prüfen:

Ist der Rechtsstreit schon weit vorangeschritten, kann der Dritte ihn kaum noch beeinflussen.[30] Mit dem Einwand der schlechten Prozessführung ist er nicht von vornherein ausgeschlossen, das Risiko, auch mit Kosten belastet zu werden, lohnt sich möglicherweise nicht.
Der Streitverkündete hält die Sache der Partei für aussichtslos oder er hat unabhängig vom anhängigen Prozess in einem Folgeverfahren gute Erfolgsaussichten.
 

Rz. 64

Im Zweifel ist dem Streitverkündeten zur Wahrung der prozess...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge