Rz. 124
Ein Beschluss hat folgende Voraussetzungen:
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es gibt einen Gegenstand der Beschlussfassung ("Antrag"), |
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der Antrag findet in einer Abstimmung die Mehrheit der stimmberechtigten Stimmen, |
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der Vorsitzende stellt das Beschlussergebnis fest und verkündet es. |
Eine Beschlussfassung ohne Antrag und Abstimmung (durch konkludentes Handeln) gibt es nicht; allenfalls die Feststellung des Beschlussergebnisses kann konkludent erfolgen (→ § 7 Rdn 136). Die Einzelheiten werden nachfolgend erörtert.
Rz. 125
Es muss ein klarer Antrag (Beschlusstext) vorliegen. Wenn es nicht um Routinebeschlüsse (z.B. über Vor- und Nachschüsse, also über die Jahresabrechnung bzw. den Wirtschaftsplan) geht, wird der Beschlusstext am besten schriftlich fixiert und vor der Abstimmung verlesen. In der Praxis wird aber oft – insbesondere nach längeren Diskussionen – ohne klaren Antrag über etwas abgestimmt; den (angeblichen) Beschlussinhalt formuliert der Verwalter dann erst im Protokoll. Auch das bloße Abnicken allgemeiner Ausführungen des Versammlungsleiters ist kein Abstimmen über einen Beschlussantrag. In solchen Fällen wird kein Beschluss gefasst, jedenfalls keiner mit dem (später) "protokollierten" Inhalt. Gegen eine solche rechtswidrige Praxis kann sich der einzelne Wohnungseigentümer nur schwer wehren. Prinzipiell in Betracht kommen eine Klage auf Protokollberichtigung oder eine Klage auf Feststellung, dass kein Beschluss gefasst wurde.
Rz. 126
Gem. § 25 Abs. 1 WEG entscheidet bei der Beschlussfassung die (einfache) Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Es müssen mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen vorliegen. Enthaltungen sind neutral und werden nicht gezählt. Infolgedessen führt bspw. ein Abstimmungsergebnis "1 Ja-Stimme, 0 Nein-Stimmen, 20 Enthaltungen" zu einem positiven (sogar einstimmigen) Beschluss.
Rz. 127
Das Abstimmungsverfahren ist Teil der Versammlungsleitung und steht deshalb im Ermessen des Vorsitzenden, sofern die Versammlung nicht per Verfahrensbeschluss einen bestimmten Modus festlegt. Üblich ist die Abstimmung durch Handzeichen. Eine schriftliche Abstimmung ist auch bei Wahlen (Verwalter, Verwaltungsbeirat usw.) nicht zwingend vorgeschrieben, aber häufig sinnvoll. Die Wahl des Verwalters wird gesondert behandelt (→ § 10 Rdn 34). Ein Widerruf der einmal abgegebenen und dem Versammlungsleiter zugegangenen Stimme ist nicht möglich. Vor der Abstimmung muss der Verwalter eventuelle Stimmrechtsausschlüsse prüfen, danach das Abstimmungsergebnis ermitteln und es anhand der Mehrheitserfordernisse beurteilen, um auf dieser Grundlage einen (positiven oder negativen) Beschluss zu verkünden.
Rz. 128
Checkliste Vorgehen bei der Abstimmung durch Handzeichen
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Der Verwalter prüft, ob Stimmrechtsausschlüsse bestehen. |
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Der Beschluss wird zur Abstimmung gestellt. (Genau genommen ist es vor der Abstimmung noch ein "Antrag"). Am besten werden die Beschlüsse schriftlich vorbereitet. Ist das geschehen, werden sie entweder verlesen oder es wird auf die schriftliche Fassung verwiesen. |
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Der Verwalter fragt: "Wer ist dafür? Wer ist dagegen? Wer enthält sich?" Erforderlichenfalls notiert er jeweils das Ergebnis. |
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Er gibt das Ergebnis bekannt ("Beschlussfeststellung"): "Damit ist der Antrag angenommen/abgelehnt". Die Feststellung muss klar und eindeutig sein. Unter einer Bedingung ist sie wirkungslos. Auf den Wortlaut kommt es aber nicht an, sodass Varianten zulässig sind wie z.B.: "Damit ist der Beschluss zustande gekommen / die Markise genehmigt". Fakultativ teilt der Verwalter vor der Beschlussfeststellung das Ergebnis der Abstimmung mit: bei Objektstimmrecht z.B.: "12 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen"; bei Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen z.B.: "630/1.000 Ja-Stimmen, 250/1.000 Nein-Stimmen, 120/1.000 Enthaltungen" und gibt anschließend das Ergebnis bekannt: "Damit ist der Antrag angenommen/abgelehnt". |
Rz. 129
Der Verwalter darf sich auch darauf beschränken, von den drei Stimmkategorien (Ja, Nein, Enthaltung) nur zwei abzufragen und den Wert der dritten Kategorie zu errechnen (sog. Subtraktionsverfahren). Auf diese Weise kann der Verwalter den Miteigentümern in den vielen Fällen, in denen Beschlüsse mehr oder weniger einstimmig zustande kommen, das lästig erscheinende "Handheben bei Ja", ersparen. Das Verfahren kann aber auch missbraucht werden, indem der Verwalter mehr oder weniger unvermittelt fragt: "Wer ist dagegen, wer enthält sich?" Noch bevor sich alle anwesenden Miteigentümer über den genauen Gegenstand der Abstimmung im Klaren sind und dazu entschließen könnten, die Hand zu heben, ist die Abstimmung auch schon vorbei und verkündet der Verwalter das im Wege des Subtraktionsverfahrens gewonnene Ergebnis: "Damit ist der Beschluss angenommen". Von einer solchen Vorgehensweise ist abzuraten: Es ist besser, die Miteigentümer nicht in die Passivität zu drängen, sondern ihnen abzuverlangen, zur Unterstützung der für richtig gehaltenen Entscheidung wenigstens aktiv die Hand zu heben.
Rz. 13...