Rz. 18
Wird eine Wohnungseigentümerversammlung durch eine hierfür nicht zuständige Person einberufen, besteht die Gefahr, dass nichtige oder anfechtbare Beschlüsse gefasst werden. Außerdem kann Verwirrung eintreten, wenn womöglich verschiedene Personen parallele Versammlungen einberufen. Es ist deshalb möglich, dass das Amtsgericht im Wege der einstweiligen (Leistungs-)Verfügung die Einberufung bzw. Durchführung der Versammlung untersagt (Durchführungsverbot). Details des e.V.-Verfahrens werden oben (→ § 2 Rdn 61) dargestellt. Wie die Anträge lauten können, ist den nachfolgend zitierten Gerichtsurteilen zu entnehmen; wer Antragsteller und wer Antragsgegner sein kann, wird im folgenden Absatz erörtert. Soweit undifferenziert die Auffassung vertreten wird, einstweiliger Rechtsschutz gegen die Durchführung einer unbefugt einberufenen Versammlung sei quasi als Normalfall geboten, da kein Miteigentümer es hinnehmen müsse, dass rechtswidrige Beschlüsse gefasst werden, ist das nicht richtig. Im Gegenteil gilt der Grundsatz, dass sich Miteigentümer gegen rechtswidrige Beschlüsse "im Nachhinein" im Wege der Beschlussanfechtungsklage wehren müssen. Das kann schon deshalb nicht anders sein, weil ein Einberufungsfehler keineswegs zwangsläufig zur Anfechtbarkeit führt; vielmehr fehlt es nicht selten an der Kausalität für die Beschlussfassung, sodass eine Anfechtungsklage erfolglos bleiben würde. Dann aber darf die Beschlussfassung nicht schon vorbeugend untersagt werden. Es kommt somit auf den Einzelfall an. Insbesondere die Gefahr eines "Einberufungswirrwarrs" (Hauptfall: ein Eigentümer beruft anstelle des wirksam bestellten Verwalters eigenmächtig eine Versammlung ein) oder die Befürchtung, dass nichtige Beschlüsse gefasst werden (im Fall der Einberufung durch einen "beliebigen Dritten"), können ein gerichtliches Durchführungsverbot rechtfertigen. Manche Gerichte beschränken sich beim Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht nur darauf, die Einberufung oder Durchführung zu untersagen, sondern verpflichten den oder die Antragsgegner auch noch zum "Widerruf der Einladung". Dafür fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage. Eine Widerrufspflicht kann nämlich nur dann ausgeurteilt werden, wenn ein bereits erfolgter Eingriff in eines der von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter vorliegt, weil das Gesetz (§§ 823, 1004 BGB) nur dann als Rechtsfolge Schadensersatz bzw. Störungsbeseitigung anordnet. Ein solcher Eingriff liegt im Fall der unbefugten Einberufung einer Eigentümerversammlung nicht vor.
Rz. 19
Eine derzeit offene Frage ist es, welcher der beteiligten Akteure ("einfache" Wohnungseigentümer, Verwaltungsbeiräte, Gemeinschaft, Verwalter) im gerichtlichen Verfahren Antragsteller und wer Antragsgegner sein kann. Gibt es einen Organstreit im Wohnungseigentumsrecht?
Beispiele
1. Miteigentümer A, Vorsitzender des Verwaltungsbeirats, beruft eine Versammlung ein. Daraufhin beantragt eine Unterlassungsverfügung gegen ihn: a) der Verwalter in Vertretung der Gemeinschaft; b) Miteigentümer B.
2. Der Verwalter beruft eine Versammlung ein. Daraufhin beantragt B eine Unterlassungsverfügung gegen ihn.
Im Beispiel 1, Variante a) ist die Gemeinschaft zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ohne weiteres berechtigt (aktivlegitimiert). Denn die Verwaltung obliegt gem. § 18 Abs. 1 WEG der Gemeinschaft (und nicht den Wohnungseigentümern). Direktansprüche zwischen den Eigentümern kann es in Bezug auf die Verwaltung grundsätzlich nicht geben. In der Variante b) ist der Antrag des B deshalb unzulässig – jedenfalls dann, wenn es einen Verwalter gibt. Sollte es sich aber um eine verwalterlose Gemeinschaft handeln, sieht die Sache anders aus, denn ohne Verwalter kann die Gemeinschaft keinen Antrag stellen. Das spricht dafür, dass in diesem Fall – wie nach dem früheren Recht – (auch) B als einzelner Eigentümer den Unterlassungsanspruch geltend machen kann. In beiden Varianten stellt sich sodann die Frage, gegen wen der Anspruch geltend zu machen ist: Gegen den einberufenden A? Oder gegen die Gemeinschaft, da die Einberufung in Vertretung oder zumindest "in Angelegenheit" der Gemeinschaft erfolgt? Nach hier vertretener Auffassung ist (nur) der einberufende Eigentümer (im Beispiel: A) passivlegitimiert. Mit einem Unterlassungstitel gegen die Gemeinschaft könnte der Antragsteller nämlich nichts anfangen; er wäre im Ergebnis rechtlos gestellt, müsste er die Gemeinschaft in Anspruch nehmen.
Im Beispiel 2 ist der Verwalter nicht passivlegitimiert; der gegen ihn gerichtete Antrag ist unbegründet. Der Antrag muss gegen die Gemeinschaft gerichtet werden. Wenn die Gemeinschaft zur Unterlassung verurteilt wird, stellt sich die Frage, ob die Effektivität der Vollstreckung dadurch erhöht werden kann, dass ein etwaiges Ordnungsgeld nicht gegen die Gemeinschaft, sondern direkt gegen den Verwalter, verhängt werden. Die Frage ist zu bejahen, einschlägige Rspr. existiert aber noch nicht.